Bätzing: Wer von der Hoffnung lebt, lässt sich nicht unterkriegen
Trotz "immenser Herausforderungen" wie dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise und dem Klimawandel hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, für Hoffnung und Zuversicht geworben. "Angesichts so vieler bedrückender Fakten wie herausfordernder Problemlagen in der Welt und in der katholischen Kirche: Wie können wir da von christlicher Hoffnung sprechen? Kurz gesagt: Weil es das Wesen dieser Hoffnung ausmacht, dass wir nicht auf uns selbst, sondern auf Gott vertrauen", sagte Bätzing am Mittwochabend beim traditionellen St.-Michael-Jahresempfang der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin.
Gott sei es, der das Leben aller Menschen trage und jeden und jede zu ewiger Erfüllung führen wolle. "Er ist der Herr der Geschichte, der gegenüber der Welt – mit all ihrem Unrecht, mit all ihrer menschlichen Anmaßung, mit all ihrer ungerechten Gewalt und all ihren utopischen Versuchungen – das letzte Wort hat", so der Limburger Bischof weiter. Weil es Gott gebe – einen Gott der unzerstörbaren Liebe zu den Menschen und zur ganzen Schöpfung – "haben wir Grund, die Hoffnung für uns und die anderen nie versiegen zu lassen". Menschen, die aus der Hoffnung lebten, ließen sich nicht unterkriegen – nicht vom Scheitern, nicht von der Anfeindung, letztlich nicht einmal vom Tod. Er sei überzeugt, so Bätzing, dass die Bewältigung der großen Aufgaben, vor denen Politik und Gesellschaft heute stünden, besser gelinge, wenn Christen und Christinnen ihre Hoffnung in die Debatte einbrächten.
Bätzing verurteilt "menschenverachtenden Angriffskrieg Russlands"
In seiner Rede verurteilte der DBK-Vorsitzende erneut auch den "menschenverachtenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine". Man müsse erleben, wie der Krieg Zehntausende von Menschenleben koste, ungezählte Verwundete und Traumatisierte zurücklasse und Millionen in die Flucht treibe. "Mit dem Versuch, durch kriegerische Akte, Schein-Referenden und Annexion die Grenzen zu verschieben, wurden ein weiterer Grundpfeiler des Völkerrechts und zentrale Elemente der europäischen Friedensordnung angegriffen. In diesem Krieg geht es um die Grundlagen unseres Zusammenlebens – in Europa und darüber hinaus, jetzt und für zukünftige Generationen", betonte Bätzing.
Weil der Frieden unendlich kostbar sei, müsse man sich dem "eklatanten Friedensbruch" Russlands entgegenstellen. Dazu gehöre auch die Lieferung von Waffen an die Ukraine. Zwar falle es der Kirche schwer, die Lieferung todbringender Waffen an eine Kriegspartei zu bejahen. "Aber wir kommen nicht umhin festzustellen: Wenn ein Staat gewaltsam zur Beute eines anderen gemacht werden soll, so besitzt er das natürliche Recht auf Selbstverteidigung. Und die Ermöglichung dieser Selbstverteidigung durch andere Länder ist legitim", betonte der Bischof. So sage es neben der Charta der Vereinten Nationen auch die katholische Friedenslehre, die der Hoffnung auf Frieden eine Basis gebe. Er sei den Politikerinnen und Politikern dankbar, die "mit Mut und kluger Abwägung" angesichts einer schwer zu durchschauenden Lage Entscheidungen träfen und dabei wahrscheinlich nie vollkommen gewiss sein könnten, das Richtige zu tun. "Es verdient Respekt, diese Verantwortung anzunehmen", so Bätzing wörtlich.
Der Bischof ging zudem auf die anschwellende Diskussion um die wieder ansteigende Zahl von Flüchtlingen in Deutschland ein: "Es wäre sicher falsch, die Probleme, die das mit sich bringt, und die Besorgnisse vieler Einheimischer zu bagatellisieren. Aber eine Emotionalisierung der Debatte oder gar ein Einknicken vor dem rechten Rand würde die Schwierigkeiten nur größer machen." Er sei allen in Staat, Kirchen und Zivilgesellschaft dankbar, die sich tatkräftig um Hilfe für die aus ihrer Heimat gerissenen Menschen bemühten, sagte der Oberhirte.
Mit Entschiedenheit müssten gleichwohl auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Kriegs mitsamt der Inflations- und Energiekostenkrise bewältigt werden. "Wir spüren doch mitten in unserer Gesellschaft, wie die Hoffnung auf die Bewältigung der Krise schwindet. Was setzen wir entgegen? Schon vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine waren wir angesichts der Klimakrise aufgerufen, unseren fossilen Energieverbrauch dringend und massiv zu vermindern", betonte Bätzing. Alle trügen Verantwortung für die Bewältigung der Energiekrise und für die Bewahrung der Schöpfung und seien aufgerufen, das eigene Verhalten anzupassen. Als große Institution leiste auch die katholische Kirche ihren Beitrag zum Energiesparen durch Reduktion des Gasverbrauchs, durch energieeffiziente Sanierung oder den Ausbau erneuerbarer Energien und durch aktuelle Maßnahmen.
"Solidarität sät Hoffnung aus"
Um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Ukrainekriegs zu schultern, brauche es starke Solidarität in der Gesellschaft. "Solidarität sät Hoffnung aus. Angesichts der Vielzahl an Krisen können wir auch nicht nur auf den nächsten Winter schauen und dürfen die längere Perspektive nicht vergessen", mahnte der DBK-Vorsitzende. Es gelte dabei zuallererst diejenigen zu unterstützen, die die Teuerungen im Energie- und Lebensmittelbereich nicht selbst schultern könnten. Die Zusagen des Sozialstaats müssten durchgesetzt und eingehalten werden. Bei Strom- oder Gaskostenbremsen sei zu fragen, wie sie so gezielt gestaltet werden könnten, dass nur diejenigen, die Hilfe wirklich brauchten, diese auch erhielten. "Von denjenigen hingegen, die Teuerungen aus eigener Kraft stemmen können, darf Solidarität mit den finanziell schwächeren Bevölkerungsgruppen abverlangt werden", sagte Bätzing.
Angesichts der vielen Herausforderungen und Aufgaben könne man natürlich zu dem Schluss gelangen, dass "schon sehr viel Zuversicht erforderlich" sei. "Ja, dem ist so. Wir müssen Hoffnung durchbuchstabieren und Rechenschaft von unserer Hoffnung geben", so der Limburger Bischof. Für die katholische Kirche zähle dazu auch der Synodale Weg. Dieser Weg mit allen Klippen sei für ihn ein Weg der Hoffnung: für eine Kirche, die sich selbst kritisch reflektiere, Strukturen und Kulturen des Miteinanders ändere, die frage, was die Zeichen der Zeit seien, und versuche, selbst zerstörte Glaubwürdigkeit mit neuer Vertrauenswürdigkeit zu beantworten. (stz)