Tagung in Rom: Für einen neuen Ansatz bei der Beichte
Wenn man Erwachsene darauf anspricht, erzählen sie oft, dass sie sich damals bei ihrer ersten – und zugleich auch letzten – Beichte irgendwelche Sünden ausdachten, weil sie als Kinder eigentlich noch nichts wirklich Böses getan hatten. Und so verwundert nicht, dass manche das Empfinden für das, was wirklich eine Sünde ist, erst gar nicht entwickelt haben.
Dann kam die Pubertät – eine Zeit, die vor allem auf sexuellem Gebiet viele Gelegenheiten zum Sündigen bot; jedenfalls, wenn man die Maßstäbe der kirchlichen Lehre anlegt. Spätestens an diesem Punkt ist bei den meisten die Verbindung zum Beichtsakrament abgerissen. Lustvolle Erfahrungen wie Selbstbefriedigung oder erste sexuelle Kontakte zu anderen – das als Sünde zu betrachten, kam ab den 70er Jahren immer weniger Jugendlichen in den Sinn.
Der "Verlust" des Sündenbegriffs weitete sich auch auf andere Gebiete aus. Bei verbalen Ausfällen oder einer Schlägerei forderten Eltern oder Lehrer nachträgliche Versöhnung unter den Streithähnen ein – ans Beichten dachte kaum jemand mehr. Ähnlich später in Beziehungs- und Ehekrisen: Der Gang zur (kirchlichen) Ehe- oder Partnerberatung wurde angeraten, die Beichte nicht.
Beichte neu begreifen und "erlernen"
Das allmähliche Verschwinden des Sündenbewusstseins war eines der Themen bei einer jüngsten Vatikan-Tagung zum Beichtsakrament in Rom. "Das Sakrament der Beichte heute feiern", so der Titel. Experten unterschiedlicher Fachrichtungen aus Italien, Spanien, Polen und Mexiko versuchten in Vorträgen und Debatten Ideen zu vermitteln, wie das in die Krise geratene Beichtsakrament neu begriffen und "erlernt" werden könnte.
Sie alle kamen aus Ländern, in denen die Beichte bei Kindern und Erwachsenen heute noch weit verbreitet ist. So ist etwa in Polen oder Italien jeden Sonntag bei der Messfeier mitzuerleben, wie Menschen vor dem Beichtstuhl Schlange stehen und, wenn sie an der Reihe sind, in wenigen Minuten beim Priester ihr Schuldbekenntnis ablegen. Dennoch sprachen auch die Referenten aus diesen Ländern von einer "Krise" des Sakraments; die Zahl der Beichtenden lasse nach.
Kardinal Mauro Piacenza, Chef der zuständigen Vatikanbehörde – er trägt den mittelalterlichen Titel eines "Großpönitentiars" – machte in seinem Vortrag eine "Anämie des Glaubens" als Hauptursache für die Krise aus. Denn die Beichte sei vor allem ein Akt des Glaubens; nur wer an Gott und seine Barmherzigkeit glaube, könne beichten.
Ewiges Leben aus dem Blick geraten
Ein weiteres Glaubensdefizit macht der Kardinal bei der Lehre vom Jenseits aus. Bei vielen Menschen sei der Gedanke an das Ewige Leben – und an die Möglichkeit ewiger Verdammnis – völlig aus dem Blick geraten, auch weil dies lange Zeit wie ein Drohmittel eingesetzt worden sei. Piacenza warb dafür, es positiv zu wenden: Niemand könne sich selbst etwas Besseres schenken als regelmäßige Beichte. Befreit zu werden von Schuld durch göttliche Gnade und Vorbereitung auf das Ewige Heil sei eine der schönsten und tiefsten Glückserfahrungen überhaupt.
Auf eine biblische Dimension der von Jesus eingesetzten Sündenvergebung wies der Theologe Fabio Rosini hin: Für das Volk Israel gebe es zwei Begriffe, die allein mit Gott in Verbindung gebracht werden dürfen: Schöpfung und Vergebung. Daher habe Jesus, als er zum ersten Mal zu einem Menschen sagte: "Deine Sünden sind dir vergeben" einen Aufruhr unter seinen hebräischen Zuhörern ausgelöst; sie warfen ihm Gotteslästerung vor.
Diese ungeheure Innovation Jesu sei heute weithin in Vergessenheit geraten. Mehr denn je konzentrierten sich die Menschen auf ihre – im Endeffekt dennoch vergängliche – körperliche Gesundheit und vergäßen das Heil ihrer Seelen. Um dies wieder mehr Menschen näher zu bringen, solle man aber nicht wie früher "Sündenkataloge" aufzählen, sondern von der Freude, Versöhnung und von dem Guten sprechen, das die Vergebung in der Beichte mit sich bringe.
Gewissen erforschen
Der Salesianer Marco Panero betonte, es gelte so zu leben, dass der Wunsch nach Beichte überhaupt ins Bewusstsein durchdringen könne. Wer nicht täglich sein Gewissen erforsche und die Tage seines Lebens einfach vorbeirauschen lasse, für den sei es schwer, überhaupt zu bemerken, "dass es da eine Schuld gibt, die sich in mir festzusetzen beginnt und die ich loswerden möchte".
Er warb für einen positiven, empathischen Ansatz; vor allem bei Sünden, die mit einem Gefühl von Scham verbunden seien. Seelsorger sollten deutlich machen, dass das Benennen einer Schuld diese nicht größer mache, sondern sie eingrenze, so dass der Betroffene besser mit ihr umgehen könne. "Gutes Beichten lässt sich lernen, und die besten Beichten sind die, die man am intensivsten herbeigesehnt hat", so der Ordensmann.
Panero betonte den Unterschied zwischen einer Beichte und anderen Gesprächen unter vier Augen. Auch diese könnten entlastend wirken; aber die feierliche Zusage der Vergebung durch Gott in der Absolutionsformel vermittele eine "Gewissheit, die es sonst nicht gibt: dass die Schuld wirklich und endgültig vergeben ist".