Kirchenhistoriker Wolf: Papst Franziskus nimmt Synodalität nicht ernst
Kurz vor dem Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom hat der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf Papst Franziskus kritisiert. Der Papst nehme Synodalität nicht ernst, sagte Wolf im Interview mit der Zeitschrift "Publik-Forum" (Samstag). "Was bei Franziskus synodal heißt, ist meiner Meinung nach nichts anderes als jesuitische Aktivierung. Alle sollen sich einbringen, aber am Schluss entscheidet der Ordensgeneral. Nur mit dem Unterschied, dass Franziskus nichts entscheidet."
Als Beispiel nannte Wolf die Amazonas-Synode. Dort wurde von einer Dreiviertelmehrheit der Synodalen beschlossen, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Das habe der Papst in seinem Schlussdokument schlicht ignoriert. Man müsse schon fragen, wie ernst Franziskus Synodalität nehme, wenn eine so klare Mehrheitsmeinung unter den Bischöfen nicht umgesetzt wird.
Wenn er den Papst mit Blick auf ein künftiges Konklave beraten könnte, so Wolf, würde er empfehlen, die Notwendigkeit von Patientenvollmachten zu verfügen. "Würde Franziskus ins Koma fallen, könnte niemand ihn absetzen." Es brauche "endlich eine klare Regelung".
Unter den deutschen Bischöfen nehme er Wehleidigkeit, Mutlosigkeit und mangelnden Einsatz für Reformen wahr, so Wolf weiter. "Wenn Kardinal Marx in der Liebfrauenkirche sagt, dass er für das Diakonat der Frau ist – warum beantragt er dann beim Papst keinen Indult [Sondergenehmigung; d, Red.]? Gemeinsam mit zehn weiteren Bischöfen, die auch dafür sind? Ob dazu viel Mut gehört, weiß ich nicht."
So könnten die deutschen Bischöfe an den Papst schreiben: "Nach dem Kirchenrecht hast du sechs Monate Zeit für eine Antwort. Und wenn keine kommt, machen wir es einfach, weil es die pastorale Situation verlangt." Sollte der Papst das Anliegen ablehnen, könnten sie ihren Amtsverzicht anbieten. "Es wäre spannend zu sehen, ob der Papst zehn Rücktritte annehmen würde."
Der Vorwurf, wonach die Deutschen eine Protestantisierung der katholischen Kirche wollten, sei "eine Meistererzählung der Konservativen, eine absolute Verkennung der deutschen Situation und der Diskussionslage im Synodalen Weg", so Wolf weiter. "Wer sich dort engagiert, will ja gerade an der Sakramentalität der Kirche festhalten."
Allerdings seien die reformorientierten Bischöfe in der Pflicht, die Vorbehalte und Bedenken der kurialen Mitarbeiter ernstzunehmen. "Wenn man die vatikanischen Archive kennt, weiß man, dass über das Wohl und Wehe eines Projekts oft die Mitarbeiter auf der zweiten und dritten Ebene entscheiden. Sie schreiben die entscheidenden Memos. Mit ihnen müsste man Gespräche führen, ihre Vorbehalte und Ängste entkräften."
Die Bischöfe sollten sich zudem überlegen, welche Leute sie für die Mitarbeit in der Kurie abstellen. Man dürfe "nicht nur Leute nach Rom schicken, die man in der Seelsorge nicht brauchen kann, und sich hinterher darüber wundern, dass sie wenig hilfreich sind." Wolf machte zudem Parallelen der aktuellen Situation zu den 1870er-Jahren aus, als sich die alt-katholische Kirche von Rom abspaltete: "Die Bewegung der Alt-katholiken wurde von Intellektuellen getragen, so wie heute der Synodale Weg." Heute werden die Rolle des Papstes als Oberhaupt der Kirche jedoch von keinem Synodalen bestritten. "Selbst diejenigen, die am lautesten nach Reformen rufen, schielen nach Rom", so Wolf. (rom/KNA)