China-Expertin: Regierung sieht bei Katholiken den Vatikan als Problem
Der Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) hat Staats- und Parteichef Xi Jinping für eine weitere, dritte Amtszeit als Generalsekretär der Partei bestätigt. Das ist die Grundlage dafür, dass er auch beim Nationalen Volkskongress im März in seiner Position als Präsident in eine dritte Amtszeit geht. Was bedeutet das für die Christen im Land, die zum Teil diskriminiert werden? Die Sinologin Licia Di Giacinto ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) in Bochum. Im Interview spricht sie über den Stellenwert von Religion und die Lage der Christen.
Frage: Frau Di Giacinto, beim Treffen der KPCh wurde klar, wie stark die Macht Xi Jinpings zugenommen hat. Glauben Sie, das wird auch Einfluss auf die Religionsgemeinschaften und insbesondere auf die Christen in China haben?
Di Giacinto: Religion wird ein Thema bleiben in China, allerdings ist die katholische Gemeinde nur eine unter vielen: China ist ein multireligiöses Land. Zudem haben die Katholiken aus Sicht der Staatsführung ein Problem, nämlich den Vatikan. Rom ist eine Macht außerhalb Chinas und völlig unabhängig von der Kommunistischen Partei. Da entsteht für die Katholiken ein politisches Problem, weil ein fremdes Land mit im Spiel ist.
Frage: Bislang hieß es, dass da China ja ein sehr großes Land ist, die Zentralregierung nicht immer gleichmäßig stark war, sondern sich die Situation der Christen je nach Region unterschied. Jetzt scheint es, dass Xi Jinping darauf hinarbeitet, dass die Zentralregierung stärker wird und es lokal keine Schlupflöcher mehr gibt. Sehen Sie das auch so?
Di Giacinto: Ich kann mir vorstellen, dass er durchaus die Absicht hat, das Lokale besser zu kontrollieren. Aber ich weiß nicht, wie die Partei das durchsetzen möchte. In China ist die lokale Realität je nach Ort unglaublich unterschiedlich. Eine völlige Gleichschaltung ist da unmöglich. Das bedeutet aber nicht, dass etwa die katholische Untergrundkirche mehr Freiraum haben wird. Es wird wohl weiterhin so laufen, wie es bisher gelaufen ist.
Frage: Glauben Sie denn, dass Xi Jinping einen Fokus auf Religion legen wird?
Di Giacinto: Die Religion ist Thema jedes Führers der Kommunistischen Partei, weil sie in China immer von Bedeutung gewesen ist. Religion hat oft eine Rolle bei Aufständen gespielt, die dann zu einem Dynastiewechsel geführt haben – das weiß natürlich auch die Partei. Beim Christentum kommt dann noch ein nationalistisches Element hinzu: Im 19. Jahrhundert sind die Christen mit Kriegsschiffen und Kanonen in China angekommen. Missionierung steht für die chinesische Politik immer noch auf einer Stufe mit dem Kolonialismus. Neben der ideologischen Auseinandersetzung spielt da also auch die Geschichte eine Rolle.
Frage: Welche Rolle spielt da das Abkommen zwischen dem Vatikan und der chinesischen Regierung, das jetzt verlängert wurde?
Di Giacinto: Dass alles bleibt, wie es ist. Die chinesische Regierung hat bei der Bestellung von Bischöfen grundsätzlich das letzte Wort. Der Vatikan hat das akzeptiert, jetzt sogar zum wiederholten Male. Also es sieht so aus, dass beide Kontrahenten, Peking und Rom, darauf zielen, den Status quo zu erhalten.
Frage: Das heißt, Rom und Peking vereint der Wunsch nach Stabilität.
Di Giacinto: Ja, niemand will den anderen provozieren. Der Vatikan will kirchliches Leben ermöglichen und China will keinen Konflikt mit dem Vatikan. Natürlich ist das ganz normativ gesehen sehr problematisch, denn wir sprechen hier keinesfalls von einer Religionsfreiheit im westlichen Sinne. Aber ich glaube auch nicht, dass es zu mehr Repressionen kommen wird. Wir sind nicht mehr in der Mao-Zeit, wo Religion bewusst bekämpft wurde, oder einem Fall wie der Bewegung Falun Gong, die aktiv verfolgt wird. Vielleicht gibt es hier und da lokale Aktionen, die Zentralregierung wird sich aber zurückhalten.
Frage: Weil sie Religion nicht mehr als Bedrohung sieht?
Di Giacinto: Die Partei hat ganz andere Baustellen: Da ist einerseits die Wirtschaft, die nicht zuletzt durch die rigiden Corona-Maßnahmen in einem Tief ist. Dazu kommt die Propaganda als zweite Baustelle, in der es vor allem um Taiwan geht und damit verbunden das nationalistische Selbstbild. Wozu da noch eine weitere Baustelle aufmachen? Da lässt man lieber alles wie es ist – und das bedeutet weiter keine Religionsfreiheit.