Anderer Akzent: Vor 50 Jahren reformierte Paul VI. die Krankensalbung
Krankheit und Leiden vermitteln dem Menschen das Bewusstsein von der Endlichkeit des Lebens. In der Krankheit erfährt der Mensch seine Ohnmacht, seine Grenzen und seine Endlichkeit. Auch deswegen wird die Krankensalbung traditionell als "Letzte Ölung" bezeichnet und zu den Sterbesakramenten gezählt – neben dem Empfang des Bußsakraments (Beichte) und der Kommunion. Doch Paul VI. wollte durch seine Reform der Feier der Krankensalbung durch die Apostolische Konstitution Sacram unctionem infirmorum vom 30. November 1972 einen anderen Akzent setzen: auf die heilende und wieder aufrichtende Wirkung.
Krankheit kann zu Qualen führen und manchmal zu Verzweiflung und Revolte gegen Gott, insbesondere wenn Krankheiten lebensgefährlich sind. Zugleich gehören Krankheiten auch zum Reifungsprozess und werfen die Gottesfrage auf.
"Ich war krank, und ihr habt mich besucht"
Das Mitgefühl Christi mit den Leidenden und seine zahlreichen Heilungen von Kranken aller Art sind aus theologischer Sicht ein offensichtliches Zeichen dafür, dass das Reich Gottes in Christus nahe ist. Das kommt auch in den Sündenvergebung zum Ausdruck. Sein Mitgefühl ist so groß, dass er sich mit mit jenen in Not identifiziert: "Ich war krank, und ihr habt mich besucht" (Mt 25,36).
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) lehrt daher, dass "durch die heilige Krankensalbung und das Gebet des Priesters die ganze Kirche die Kranken dem leidenden und verherrlichten Herrn empfiehlt, dass er sie aufrichtet und rettet, ja sie ermahnt, sich aus freien Stücken mit dem Leiden und dem Tode Christi zu vereinigen und so zum Wohle des Gottesvolkes beizutragen".
Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Krankensalbung immer mehr ausschließlich Sterbenden gespendet. Trotz der von Konzil und Paul VI. vorgenommenen Akzentverschiebung hält das Ritual für die Krankensalbung fest, dass das Sakrament jenen zu spenden ist, "die sich wegen Krankheit oder Altersschwäche in einem bedrohlich angegriffenen Gesundheitszustand befinden". Eine ernstliche Erkrankung, nicht nur ein Gebrechen oder fortgeschrittenes Alter sind also nach wie vor Bedingung für die Spendung.
Die Änderung der Spendeform, die das Dokument Pauls VI. verfügte, weitet jedoch die Perspektive: Stirn und Hände werden mit geweihtem Öl gesalbt, während der Priester spricht: "Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf."
Gnade des Trostes, des Friedens und des Mutes
In der traditionellen Form war vor allem die Sündenvergebung im Angesicht der Todesgefahr im Fokus: "Durch diese heilige Salbung und seine mildreichste Barmherzigkeit lasse dir der Herr nach, was du durch Sehen (Hören, Riechen, Schmecken und Reden, Berühren, Gehen) gesündigt hast. Amen".
Die wichtigste Gabe der Krankensalbung ist die Gnade des Trostes, des Friedens und des Mutes, um Schwierigkeiten zu überwinden – der Seele, aber auch des Leibes. Sei es in unmittelbarer Gefahr des Todes oder in schwerer Krankheit.