30 Jahre Katechismus: Überarbeiten statt Feiern
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Der Katechismus, der die kirchliche Lehre in knapp 3.000 nummerierten Absätzen zusammenfasst, feiert Ende dieses Jahres seinen 30. Geburtstag. Ein wirklicher Grund zum Feiern ist das nicht. Im Gegenteil: Die Kritik, die es seit seiner Einführung gab, hat sich über die Jahre nicht erledigt, sondern ist aktueller denn je. Das Werk selbst dagegen ist mindestens angestaubt.
Natürlich, es ist verlockend: Geht es um das Gebet, Sakramente oder wichtige Lebensfragen: Der Katechismus (kurz KKK) erklärt zuverlässig und in wenigen Sätzen, was richtig oder falsch ist. Der "Youcat", der 2011 erschienene Katechismus für Jugendliche, wirbt auf seiner Website unter der Überschrift "YOUCAT ist sicher" gar dafür, dass die "offizielle römische Approbationen und päpstliche Vorworte" für die "Richtigkeit der Inhalte bürgen". Dieses überhöhte Verständnis gehört dringend auf ein gesundes Normalmaß zurückgestutzt. Denn mal ganz ehrlich: Ein bloßes Regelwerk als Antwort auf komplexe moralische oder ethische Fragen traut den Gläubigen egal welchen Alters doch zu wenig zu. Zudem gibt es dem kirchlichen Lehramt ein nahezu absolutes Gewicht, das seit der Öffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils eigentlich überholt ist. Darauf hat unter anderem der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald hingewiesen, der im KKK gar eine "bewusst eingenommene Abwehrhaltung" als Antwort auf das Zweite Vatikanische Konzil erkennt.
Auch wenn der Katechismus viele gute Ratschläge für das Glaubensleben gibt, ist es an manchen Stellen eher ein Ärgernis, ihn zu lesen. Dazu gehört, die erneute Heirat nach einer Scheidung als "fortdauernden Ehebruch" zu deuten (Nr. 2384). Auch die geringeschätzenden Passagen über Homosexuelle sind nur schwer zu ertragen (2357f.). Diese unsäglichen Lehrsätze hat die Praxis der Pastoral Gott sei Dank vielfach längst überholt, in Deutschland sogar jüngst auch das kirchliche Arbeitsrecht.
Dass auch der Katechismus nicht in Stein gemeißelt ist, hat kein Geringerer gezeigt als Papst Franziskus selbst: 2018 veränderte er den Artikel zur Todesstrafe und erklärte diese für unzulässig. In Zeiten von Vertrauensverlust und weltweit nicht enden wollendem Missbrauchsskandals steht es der katholischen Kirche nicht gut an, mit Moralkeulen zu schwingen, auch nicht in Form eines Buches namens "Katechismus". Der Geburtstag sollte Anlass sein, ihn entweder gründlich zu überarbeiten oder unverzüglich aus dem kirchlichen Schaufenster zu nehmen.
Die Autorin
Gabriele Höfling ist Redakteurin bei der Katholischen Nachrichten-Agentur und bei katholisch.de.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.