Verkehrte Theologie und schwarze Pädagogik

Religionspädagoge: Heiliger Nikolaus wird heute pervertiert

Veröffentlicht am 05.12.2022 um 11:51 Uhr – Lesedauer: 

Passau ‐ Nikolaus-Darsteller besuchen jährlich rund um den 6. Dezember zahlreiche Familien und Einrichtungen. Der Passauer Religionspädagoge Hans Mendl sieht diese Auftritte jedoch kritisch. Er hat Vorschläge, wie es besser laufen könnte.

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Der Passauer Religionspädagoge Hans Mendl hat die volkstümliche Figur des Nikolaus kritisiert. Bei den Besuchen des Nikolaus in Familien, pädagogischen Einrichtungen oder Vereinen passiere "eine Pervertierung der ursprünglichen Bedeutung des heiligen Nikolaus im Zuge einer ganz schwarzen Pädagogik und letztlich auch die Konkretisierung einer im Wortsinn verkehrten Theologie", schreibt Mendl in einem Beitrag auf dem theologischen Blog "feinschwarz.net" (Montag). Kritik übte er unter anderem am Auflisten guter und weniger guter Taten durch den Nikolaus oder der Begleitung durch den Rute-tragenden Knecht Ruprecht. "Die deutlich aufscheinende Botschaft lautet: Du musst richtig handeln, dann wendet sich dir die autoritäre Größe (Eltern, Nikolaus, Gott) gnädig zu und du wirst den verdienten Lohn erhalten." Diese Logik widerspreche einem gnadentheologischen Verständnis des Zusammengehens von Gnade und Tun fundamental.

Nikolaus sei als Heiliger im Kontext der adventlichen Vorbereitung auf Weihnachten dagegen "'eigentlich' die Personifizierung der theologischen Aussage: 'Euch wird (in Jesus Christus) das Heil geschenkt'", so Mendl. Kinder sollten den Heiligen daher in der Weihnachtszeit eher als Vorboten der Geburt Christi erleben. "Sie dürfen vor der ehrerbietig und mystisch inszenierten Gestalt des heiligen Nikolaus gerne auch Respekt und heilige Scheu empfinden, letztlich aber sollen sie die Begegnung dankbar als menschen- und kinderfreundliche Zuwendung einer höheren Macht in Erinnerung behalten", schreibt der Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Universität Passau.

Religiöse Erziehung solle so angelegt werden, "dass der theologische Vorrang der Geschenkhaftigkeit des Heils vor jedem Leistungsanspruch ein tragendes Erziehungsziel darstellt", schreibt Mendl. Für den Nikolaus-Besuch schlägt er daher vor, dass der Nikolaus eine Legende aus seinem Leben erzählt, etwa, wie er einer armen Familie geholfen hat. Zudem solle der Nikolaus eine Positiv-Liste mit Punkten vorlesen, was die einzelnen Kinder alles können, was andere an ihnen schätzen und worin sie besser geworden sind. Statt von einer Schreckgestalt wie Knecht Ruprecht könne der Nikolaus zudem von einem neutralen Helfer oder einer Engelsgestalt begleitet werden, die ihn bei der Arbeit unterstützt. Sinnvoll könne es auch sein, dass Kinder ihre Gedichte oder Lieder erst nach der Übergabe der Geschenke vortragen. (cbr)