Übergriffs-Vorwürfe gegen bekannten Jesuiten – Schützte ihn der Papst?
Italienische Medien haben in den vergangenen Tagen Berichte und Hypothesen zu mutmaßlichen Fällen sexueller Übergriffe veröffentlicht. Im Zentrum steht der international bekannte slowenische Mosaik-Künstler und Jesuitenpater Marko Ivan Rupnik (68). Über ihn berichten sehr unterschiedliche Medien wie das kirchenkritische Portal left.it und katholisch konservative Portale wie "MessainLatino".
Rupnik hat in mehreren Ländern Kapellen mit Mosaiken ausgestaltet. Eines seiner bekanntesten Werke ist die 1999 vollendete Kapelle "Redemptoris Mater" im Papstpalast im Vatikan. Daneben gestaltete er Sakralräume unter anderem in Fatima, Lourdes, Krakau und Washington, D.C. Obwohl seit den 1990er-Jahren in Rom ansässig, war er den Berichten zufolge gleichzeitig geistlicher Betreuer und Beichtvater einer Schwesterngemeinschaft in Slowenien.
Als ungewöhnlich viele Schwestern die Gemeinschaft unter ungeklärten Umständen verließen, kam es zu einer ersten kirchlichen Untersuchung der Vorgänge dort. Diese soll den Berichten zufolge der römische Weihbischof Daniele Libanori, auch er ein Jesuit, durchgeführt haben. Ferner soll es anklagende Briefe von Nonnen an Papst Franziskus zu dem Fall geben, die nie beantwortet worden seien.
Erklärung der Jesuiten
Neben den überwiegend unbelegten Medienberichten gibt es eine auf den 2. Dezember datierte Erklärung der "provinzübergreifenden Niederlassungen der Jesuiten in Rom" (lateinische Abkürzung: DIR für Domus Interprovinciales Romae). Demnach hat die Glaubenskongregation im Vatikan 2021 nach einer Anzeige ein Voruntersuchungsverfahren gegen Rupnik "wegen der Art der Ausübung seines Priesteramtes" angeordnet.
Dieses Verfahren habe gemäß den kirchenrechtlichen Vorschriften ein Angehöriger eines anderen Ordens übernommen. Nachdem dieser Zeugen befragt hatte, sei die Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorwürfe verjährt seien. Minderjährige seien nicht involviert. Das Verfahren sei deshalb Anfang Oktober 2021 abgeschlossen worden.
Diese Angaben lassen die Schlussfolgerung zu, dass es sich bei der Anzeige um den Vorwurf sexueller Verfehlungen gehandelt hat. Andernfalls würde der Hinweis auf die Nichtbeteiligung von Minderjährigen und auf die dadurch eingetretene Verjährung keinen Sinn ergeben.
Dazu passen auch die folgenden Aussagen des Textes der Jesuiten: Der Orden habe Rupnik bereits zum Zeitpunkt der Voruntersuchung untersagt, die Beichte zu hören, Exerzitien zu halten oder zu begleiten sowie ohne Genehmigung seiner Oberen öffentlich aufzutreten. Diese Einschränkungen seien "als administrative Maßnahmen" weiter in Kraft. Dies lässt den Schluss zu, dass Vorwürfe eines übergriffigen Verhaltens im Raum standen, es aber zu keiner Verurteilung kam.
Die Erklärung schließt mit den Worten: "Die Gesellschaft Jesu nimmt jede Beschuldigung gegen eines seiner Mitglieder ernst. Ihr Auftrag ist auch ein Auftrag der Versöhnung. Und wir wollen jede und jeden offen annehmen." Unterzeichnet ist das Papier mit der Bezeichnung "DIR-Delegat" – ohne Nennung eines Namens oder einer Adresse. Zum DIR gehören jene Einrichtungen des Jesuitenordens, die nicht einer geografischen Provinz des Ordens unterstellt sind, wie etwa die Generalkurie in Rom. Einer solchen Einrichtung ist auch Rupnik zugeordnet.
Von Tatstrafe der Exkommunikation befreit?
Die nächste gesicherte Information ist eine Mitteilung des vatikanischen Presseamtes vom 3. Januar 2022. Demnach hat Papst Franziskus seinen Mitbruder Rupnik an diesem Tag in Audienz empfangen. Left.it schreibt dazu, möglicherweise habe der Papst ihm bei dieser Gelegenheit mitgeteilt, dass er ein zurückgezogenes Leben in Buße führen solle. Diesen Weg wählt der Vatikan, wenn aus rechtlichen Gründen keine Strafverfolgung eines Täters mehr möglich ist.
Ebenfalls unbelegt ist die Mutmaßung, die von left.it und von MessainLatino verbreitet wird, Papst Franziskus habe Rupnik von der Tatstrafe der Exkommunikation befreit. Hintergrund sei die im Kirchenrecht vorgesehene Strafe für das Verbrechen einer "absolutio complicis" (zu deutsch: die Lossprechung eines Mittäters in der Beichte). Diese kirchenrechtlich äußerst schwerwiegende Straftat zieht automatisch die Exkommunikation nach sich, von der nur der Papst die Betroffenen befreien kann.
Das vatikanische Presseamt machte am Dienstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zunächst keine Angaben zu den Vorwürfen gegen Pater Rupnik und zu der Frage, welche Rolle Papst Franziskus in diesem Zusammenhang hatte.