Michael Max leitet das Päpstliche Institut Santa Maria dell'Anima in Rom

Kolleg-Rektor: So kann der römische Geist deutschen Theologen helfen

Veröffentlicht am 16.01.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Nicht zuletzt beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom haben sich die unterschiedlichen Blickweisen auf den Glauben beider Seiten der Alpen gezeigt. Im katholisch.de-Interview zeigt der Rektor des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell'Anima, Michael Max, Zusammenhänge auf.

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Betreibt man in Deutschland und Rom unterschiedlich Theologie? Diese und ähnliche Fragen kommen im Päpstlichen Institut Santa Maria dell'Anima in Rom immer wieder auf. Dort wohnen Priester aus dem deutschsprachigen Raum während sie sich einem Weiterstudium widmen. Rektor Michael Max spricht im Interview von römischem Geist und dem Blick auf die Weltkirche.

Frage: Herr Max, in der Anima geht es auch darum, dass Priester aus der deutschsprachigen Welt den römischen Geist des Katholizismus kennenlernen. Worin besteht dieser denn?

Max: Kurz gesagt besteht diese "Romanitá" für mich aus zwei Bestandteilen. Das eine ist der große Blick und vor allem das große Bewusstsein, in einer Weltkirche zu leben. Das ist einfach dadurch gegeben, dass hier mit dem Nachfolger des heiligen Petrus, mit dem Bischof von Rom, dem Heiligen Vater, "das sichtbare Zeichen und Werkzeug" dieser Einheit, wie es die Theologie sagt, wohnt, lebt und aus der Nähe zu erleben und zu erfahren ist. Diese Erfahrung der Weltkirche prägt die Menschen an den Universitäten und zu Hause. Sie können sich dem nicht entziehen.

Das andere ist auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit, also an die Quellen der Theologie zu gehen. Hier ist man von den Gebäuden, von der Archäologie, von der Geschichte mit diesen Quellen und dem, was daraus geworden ist, stärker konfrontiert als anderswo und wird auf eine besondere Weise auskunftsfähig. Sich diesen Quellen wissenschaftlich zu widmen, dient dazu, die Botschaft des Evangeliums heute verkünden zu können.

Diese beiden Komponenten, zum einen in die Weite, zum anderen in die Tiefe, machen für mich "Romanitá" aus. Das kann für Menschen, die mit anderen Blickwinkeln kommen und andere theologische Schwerpunkte haben, manches Mal überraschend wirken.

Frage: Merken Sie denn eine Wirkung dieser Nähe der Quellen des christlichen Glaubens auf die jungen Menschen hier im Haus?

Max: Man merkt schon ein Interesse, durch Besichtigungen oder Ausflüge zu frühchristlichen Stätten oder bedeutenden Orten der Kirchengeschichte etwa. Dazu gehören zum Beispiel die Katakomben oder andere Ausgrabungen. Diese Orte der ersten Christen sind hier sehr nahe. Wenn ich in dieser Stadt lebe und all dies um die Ecke ist, dann gehe ich auch hin.

Frage: Hat das auch Einfluss darauf, wie die Menschen denken oder vielleicht auch ihren eigenen Glauben, ihr eigenes Studium wahrnehmen?

Max: Wahrscheinlich schon, weil das Gehen zu den Quellen auch eigene Reflexionen hervorruft. Es sind meine Quellen, die Quellen meines Glaubens, des Evangeliums, das für mich grundsätzlich gilt und das ich verkündigen soll. Jeder Mensch, jeder Student nimmt das unterschiedlich wahr. Das führt zu interessanten Gesprächen, die aber dann auch wieder dazu führen, dass sich Dinge vertiefen, stärker werden, neu wahrgenommen werden.

Bild: ©katholisch.de/cph

Ein Spruchband im Speisesall der Anima ruft die Menschen dort zur Auseinandersetzung mit der römischen Kurie auf.

Frage: Hat man im deutschen Sprachraum schlicht einen anderen theologischen Blickwinkel als hier in Rom?
Max:
Auch im deutschen Raum kann man theologisch gesehen sehr fundiert an die Quellen gehen. Das zeichnet eine gute Theologie überall auf der Welt aus. Ich kenne beide Systeme. Ich habe in Salzburg mein Grundstudium gemacht, also an einer Universität, die unserem Kulturkreis, unserem wissenschaftlichen Denken entspricht, mit all der Freiheit, die Studenten dort genießen können und der Selbstverantwortung, die sie haben. Danach habe ich in Rom weiterstudiert, hier ist das Studium viel verschulter als bei uns, mit Anwesenheitspflicht und allem, was dazu gehört. Der Vorteil ist vielleicht, dass die Inhalte wesentlich konzentrierter und vielleicht auch quantitativ stärker rüberkommen. Ich bin froh, einer sein zu dürfen, der sehr Gutes aus beiden Welten in seinem theologischen Denken und in seiner wissenschaftlichen Arbeit mitbekommen hat.

Frage: Zuletzt hat der Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe gezeigt, dass es immer wieder Reibungspunkte zwischen der römischen und der deutschen Sicht auf den Glauben und die Theologie gibt. Wie nehmen Sie das wahr?

Max: Natürlich gibt es Diskussionen, aber Diskussionen gab es immer und wird es immer geben. Aber ich entnehme dem, was man aus den Gesprächen hört, dass es beiden Seiten um ein sehr deutliches Gehen an die Wurzeln geht. Dass beide Seiten das Evangelium in seiner vollen Gestalt heute glaubwürdig verkündigen möchten. Die Perspektive, wie das gehen kann und wie das gehen soll, sind sehr unterschiedlich. Aber das Faktum, dass man darüber redet, dass man darüber diskutiert, dass man da auch unterschiedlicher Meinung ist, zeigt, dass diese Diskussionen grundsätzlich funktionieren.

Frage: Was kann ein junger Mensch, der hier im Haus wohnt und in Rom studiert, im Idealfall von diesem römischen Geist mit nach Hause nehmen?

Max: Im Idealfall bringt er genau das nach Hause, was diesen römischen Geist ausmacht, diese weltkirchliche Weite und diese Freude an der Weltkirche. Dazu eine wissenschaftliche Redlichkeit. Priester sein bringt hoffentlich die Fähigkeit mit, den Glauben in der jeweiligen Situation verkünden zu können und die Eindrücke aus der Heimat und aus Rom anzuwenden. Aber sozusagen schlüsselfertig wird hier niemand. Man bekommt Fähigkeiten mit und kann sie vertiefen. Dann geht es weiter, ans Arbeiten und Verkünden. Das hier ist nur eine Durchgangsstation.

Von Christoph Paul Hartmann