Ausgrabungsstätte in Jerusalem ist seit langem ein Politikum

Umstrittene Grabung: Israel will biblischen Schiloach-Teich freilegen

Veröffentlicht am 27.12.2022 um 14:57 Uhr – Lesedauer: 

Jerusalem ‐ Der in der Bibel mehrfach erwähnte Schiloach-Teich südlich der Jerusalemer Altstadt soll vollständig ausgegraben werden. Die Grabungen in der als Davidstadt bekannten Stätte sind politisch umstritten. Nun gibt es neue Informationen dazu.

  • Teilen:

Der antike Schiloach-Teich südlich der Jerusalemer Altstadt soll vollständig ausgegraben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das teilte die israelische Antikenbehörde am Dienstag mit. Der in der Bibel mehrfach erwähnte Ort hat für Juden und Christen eine große historische Bedeutung. Die Grabungen unter Beteiligung der rechtsgerichteten Siedlerorganisation Elad in der als Davidstadt bekannten Stätte sind politisch umstritten.

Der Teich wurde laut der Behörde vor rund 2.700 Jahren als Teil des Jerusalemer Wassersystems unter der Herrschaft von König Hiskia angelegt und diente als Reservoir für die historische Gihon-Quelle im Südosten der Altstadt. Er wurde unter König Herodes zur Zeit des zweiten jüdischen Tempels ausgebaut. Man gehe davon aus, "dass der Teich in dieser Zeit als rituelles Bad ("Mikwe") von Millionen Pilgern genutzt wurde", bevor sie zum Tempel hinaufstiegen. Laut biblischer Überlieferung machte Jesus am Schiloach-Teich einen blinden Mann sehend.

Erstmals wurde laut Mitteilung der Antikenbehörde 1880 eine althebräische Inschrift in einem Wassertunnel nahe dem Teich entdeckt; sie beschreibt, wie das Quellwasser in den Teich umgeleitet wurde. In mehreren Expeditionen wurden seit 1890 Teile des Teiches freigelegt, darunter seit 2004 Teile jener Stufen, die den Teich umgaben. Schätzungen zufolge war der Teich in seiner Blütezeit rund 1,3 Hektar groß.

Bei den nun begonnenen Arbeiten soll der Teich vollständig freigelegt werden. In den kommenden Monaten soll er für Besucher zugänglich gemacht werden; "als Teil einer Route, die am südlichsten Punkt der Stadt Davids beginnt und an den Fußspuren der Klagemauer endet".

Streit um die Ausgrabungen

Die Ausgrabungsstätte ist seit langem ein Politikum. In die Kritik unter anderem der "Israelischen Akademie der Wissenschaften" und kritischer israelischer Archäologen geraten ist vor allem die Übertragung der Davidstadt an Elad. Ihr wurde wiederholt vorgeworfen, sich auf die jüdischen Aspekte der multikulturellen Stätte zu fokussieren.

Die palästinensische Menschenrechtsorganisation Al-Hak hatte Israel im November vorgeworfen, in der Davidstadt "illegalen Siedlungstourismus" zu betreiben. Mittels gefälschter Archäologie und illegitimen Ausgrabungen werde "ein falsches, koloniales Narrativ" zur jüdischen Geschichte der Stätte verbreitet.

Zuletzt hatte der auf Territorialstreitigkeiten in Ostjerusalem spezialisierte Rechtsanwalt und Jerusalem-Aktivist Daniel Seidemann Anfang Dezember gewarnt, Elad plane, ein Grundstück in unmittelbarer Nähe des Teiches in Besitz zu nehmen. Die Parzellen im palästinensischen Stadtviertel Silwan sollen 2004 Teil eines umstrittenen Immobilienhandels zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche und rechten jüdischen Siedlerorganisation Ateret Cohanim gewesen sein.

Der Gründer der Organisation Terrestrial Jerusalem (Irdisches Jerusalem), die sich in der Jerusalem-Frage für einen Einklang mit der Zwei-Staaten-Lösung einsetzt, macht bei den Plänen einen "ernsthaften Schritt in Richtung einer Umzingelung der Altstadt mit Siedlungsunternehmen" aus. Dieser sei Teil einer "Beschleunigung von biblisch motivierten Siedlungen und siedlungsbezogenen Projekten rund um die Altstadt". (KNA)