Harter Hund mit sanftem Lächeln
Reuven Rivlin wird dem rechten Flügel der rechten Likud-Partei zugerechnet. Mitglieder seiner Partei und der israelischen Siedler jubelten bereits: Die Abgeordnete Miri Regev sagte, Israel werde nun einen "rechten, nationalbewussten Präsidenten" bekommen. Und Wirtschaftsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei sagte: "Wir haben einen Präsidenten bekommen, der an das Recht des Volkes Israel auf sein Land glaubt und sich nicht schämt, dies offen zu sagen."
Harte Brücken
Als Brückenbauer sieht Rivlin sich trotzdem. Denn unmittelbar nach seinem Wahlsieg sagte der designierte Präsident, er wolle sich für eine Einigung aller Bevölkerungsgruppen des Landes einsetzen. Er werde Präsident für "Juden, Araber, Drusen, Religiöse und Nicht-Religiöse" sein. Der sichtlich gerührte Rivlin sprach bei einer Zeremonie im Parlament ein Friedensgebet und setzte sich dabei eine weiße Kippa auf das Haupt, die Kopfbedeckung von Juden bei feierlichen Anlässen. Er müsse nun seine politische Heimat, die Likud-Partei, verlassen. "Ich gehöre jetzt allen, ich gehöre dem Volk", sagte Rivlin. Entsprechend spricht Alfred Wittstock von der Studienstelle Israel der Mainzer Universität von einem Sieg, den das rechte Lager zu Unrecht für sich verbucht: "Das ist eher ein Sieg für den Anstand und demokratische Gepflogenheiten."
„Die Gründung von Israel war von viel Schmerz und einem echten Trauma für die Palästinenser begleitet.“
Ein Hardliner der Brücken baut? Tatsächlich lehnt Rivlin die Zwei-Staaten-Lösung ab. Seiner Meinung nach haben die Israelis den religiös begründeten Anspruch auf das ganze Heilige Land, inklusive Palästina. Gleichzeitig setzt er sich dafür ein, dass der Staat Israel das Leid der Palästinenser anerkennt. So hatte Rivlin etwa 2009 mit dem Satz überrascht: "Die Gründung von Israel war von viel Schmerz und einem echten Trauma für die Palästinenser begleitet." Er rief damals zu einer "echten Partnerschaft zwischen Juden und Arabern" auf. Seine Version des einen Staates sieht denn auch vor, Arabern den Zugang zu israelischen Pässen zu erleichtern und sieht sie als gleichberechtigte Bürger einer gefestigten Demokratie. Politikwissenschaftler Wittstock warnt davor, Rivlin vorschnell in die rechte Ecke zu stellen: "Ich denke, er ist vor allem Demokrat. Das hat er immer wieder gezeigt, auch in seiner Funktion als Parlamentssprecher." Dann zitiert Wittstock Rivlins Antwort auf die Frage, wie er denn reagieren würde, wenn die Knesset beschlösse, Siedlungen zu räumen: "Ich würde hingehen und mit den Siedlern trauern. Doch dann würde ich ihnen sagen, dass es eine demokratische Entscheidung war, die nun umgesetzt werden muss."
„Ich würde hingehen und mit den Siedlern trauern. Doch dann würde ich ihnen sagen, dass es eine demokratische Entscheidung war, die nun umgesetzt werden muss.“
Rivlin wird in der Presse als konservativer Jude beschrieben. So kritisierte er Reformjudentum als "Götzendienst" und nannte es "eine völlig neue Religion". Trotzdem stimmte er für den Militärdienst für orthodoxe Juden und machte sich damit viele Feinde im religiös konservativen Lager - auch in der eigenen Partei. Ebenso kritisierte Rivlin den Auftritt von Papst Benedikt XVI. in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem 2010 während dessen Nahost-Reise: Rivlin stiße sich daran, dass der Papst dort gebetet hatte, obwohl er im Rahmen der gesetzlich verordneten Jugenddienstpflicht während des Zweiten Weltkriegs in der Hitlerjugend und später als Flak-Helfer bei München aktiv war.
Schlammschlacht im zweiten Anlauf
Für Rivlin war es bereits der zweite Anlauf auf das Präsidentenamt. Bereits 2007 war er zur Wahl angetreten, unterlag jedoch seinem Kontrahenten Schimon Peres. Der Friedensnobelpreisträger Peres war gewählt worden, nachdem sein Vorgänger Mosche Katzav wegen Vergewaltigungsvorwürfen sein Amt niederlegen musste. Katzav wurde Ende 2010 als erster Präsident Israels zu einer Haftstrafe verurteilt. Dies hatte dem Image des Präsidentenamts in Israel schweren Schaden zugefügt. Politische Beobachter sind sich aber einig, dass es dem 90-jährigen Peres während seiner Amtszeit gelungen ist, dem höchsten Amt seine Würde wiederzugeben.
Israelische Medien kritisierten das diesjährige Rennen um das höchste Amt als eine der schlimmsten Schlammschlachten in der israelischen Politikgeschichte: Ein Kandidat verzichtete nach plötzlichen Korruptionsvorwürfen auf seine Kandidatur. Ein weiterer verzichtete ebenfalls auf seine Bewerbung, nachdem eine frühere Mitarbeiterin ihn Tage vor der Wahl der sexuellen Belästigung beschuldigt hatte. Auch in der eigenen Partei war die Wahl Rivlins umstritten: So gilt das Verhältnis zu Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als sehr angespannt. Der hatte sogar öffentlich mit dem Gedanken gespielt das Amt des Staatspräsidenten abzuschaffen, nur um Reuven Rivlin zu verhindern. Erst sehr spät sicherte Netanjahu Rivlin die Unterstützung seiner Fraktion zu. (mit Material von dpa)
Von Michael Richmann