Zahlreiche Reaktionen weit über die katholische Kirche hinaus

Steinmeier und Scholz würdigen verstorbenen Benedikt XVI.

Veröffentlicht am 31.12.2022 um 12:35 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Der Tod von Benedikt XVI. hat zahlreiche Reaktionen auch jenseits der katholischen Kirche ausgelöst. Unter anderem meldeten sich Bundespräsident Steinmeier, Bundekanzler Scholz, zahlreiche weitere Politiker und evangelische Vertreter zu Wort.

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Der Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. am Samstagmorgen hat weit über die katholische Kirche hinaus bereits zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den verstorbenen früheren Papst als Theologen, der Menschen eine Orientierung gegeben habe. "Sein Glaube, sein Intellekt, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich immer tief beeindruckt", erklärte Steinmeier in Berlin. Schon im Wirken des Professors Joseph Ratzinger habe sich hohe theologische und philosophische Bildung mit verständlicher Sprache verbunden. "Deswegen fanden viele Menschen, nicht nur Katholiken, in seinen Schriften und Ansprachen klare Orientierung", sagte der Bundespräsident, der selbst der evangelischen Kirche angehört.

Steinmeier unterstrich zudem die besondere Rolle, die der frühere Papst für Deutschland hatte: "Die Wahl eines Papstes aus dem Mutterland der Reformation und eines Intellektuellen, der sich den Dialog zwischen Glaube und Vernunft zur Lebensaufgabe gemacht hatte, war für viele Menschen auf der ganzen Welt ein wichtiges Zeichen." Der Bundespräsident erinnerte auch an den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. "Spätestens als Präfekt der Glaubenskongregation war er mit dem bedrückenden Problem des weltweiten sexuellen Missbrauchs und dessen systematischer Vertuschung konfrontiert", so Steinmeier. Hier sei er besonders in der Verantwortung gewesen. Benedikt habe um das große Leid der Opfer und den immensen Schaden für die Glaubwürdigkeit der Kirche gewusst.

Scholz: Die Welt verliert eine prägende Figur der katholischen Kirche

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb bei Twitter, dass Benedikt XVI. als "deutscher" Papst "für viele nicht nur hierzulande ein besonderer Kirchenführer" gewesen sei. Und weiter: "Die Welt verliert eine prägende Figur der katholischen Kirche, eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen. Meine Gedanken sind bei Papst Franziskus." Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) drückte ebenfalls auf Twitter ihre Anteilnahme zum Tod Benedikts aus: "Vieles aus seiner reichen theologischen, wissenschaftlichen und seelsorgerischen Lebensleistung wird lange nachwirken", schrieb sie. Ihr Vorgänger Norbert Lammert (CDU) sagte, die herausragende Bedeutung des Theologen Joseph Ratzinger werde "mit zunehmendem Abstand zum Pontifikat des Papstes Benedikt immer deutlicher". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ordnete aus Anlass des Todes des ehemaligen Papstes bundesweite Trauerbeflaggung der obersten Bundesbehörden an. Die Anordnung gelte für den Tag seines Todes und für den Tag der offiziellen Trauerfeierlichkeiten in Rom, so Faeser am Samstag in Berlin.

Bild: ©picture alliance/dpa/Thomas Frey

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den verstorbenen früheren Papst als "eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen".

Auch Scholz' Vorgängerin Angela Merkel meldete sich zu Wort. Die katholische Kirche, Deutschland und die Welt verlören mit Benedikt XVI. einen der streitbarsten und bedeutendsten religiösen Denker dieser Zeit. Sie denke voller Dankbarkeit an ihre Begegnungen mit Benedikt in Rom und in Deutschland zurück. Unvergessen seien ihr seine Rede vor dem Bundestag 2011 wie auch sein historischer Entschluss 2013, das Papstamt abzugeben, so die CDU-Politikerin. In dieser Stunde erinnere sie sich jedoch auch ganz besonders an den Menschen Joseph Ratzinger und seine tiefe Verwurzelung in seiner bayerischen Heimat.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz betonte in seiner Stellungnahme die Ausstrahlung des früheren Papstes auf Deutschland. "Papst Benedikt hat vor allem in seinem Heimatland Deutschland eine neue Hinwendung zur katholischen Kirche über alle Generationen hinweg auslösen können", erklärte Merz am Samstag. "Wir verneigen uns in Trauer und Dankbarkeit vor dem Lebenswerk des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI.", so der Politiker Merz, der selbst Katholik ist. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) würdigte den verstorbenen früheren Papst als überzeugungsstarken Repräsentanten der katholischen Kirche und einen der einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Der Tod von Benedikt XVI. berühre ihn sehr, sagte Söder in München: "Wir trauern um unseren bayerischen Papst." Viele Menschen in seiner Heimat würden ihn nicht nur als Papst Benedikt XVI., sondern auch als bescheidenen Seelsorger in dankbarer Erinnerung behalten, der vielen Menschen Kraft und Orientierung gegeben habe, so der Ministerpräsident. Söder ordnete eine Trauerbeflaggung staatlichen Dienstgebäuden in Bayern für Samstag sowie für den Tag der Beisetzung an.

"Europa betrauert ihn"

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte bei Twitter, Benedikt XVI. sei eine geschichtsträchtige Persönlichkeit und ein nicht unumstrittener Intellektueller gewesen. "Heute aber gedenken wir ihm als Menschen", schrieb der FDP-Vorsitzende, der vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), äußerte ebenfalls bei Twitter "tiefe Trauer" über den Tod des früheren Papstes. Mit Benedikt XVI. verliere die Welt einen herausragenden Theologen und großen Bayern, Deutschen und Europäer.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich betrübt über den Tod von Benedikt XVI. Der frühere Papst habe "durch seinen Rücktritt ein starkes Zeichen gesetzt", schrieb von der Leyen auf Twitter. Und weiter: "Er sah sich selbst zuerst als Diener Gottes und seiner Kirche. Als seine physische Kraft nachließ, diente er weiter mit der Kraft seiner Gebete.“ Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, schrieb bei Twitter: "Europa betrauert ihn." Zugleich zitierte die maltesische Politikerin eine Aussage Benedikts XVI. beim Weltjugendtag 2011: "Habt keine Angst vor der Welt noch vor der Zukunft oder vor eurer Schwachheit."

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Annette Kurschus
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

"Joseph Ratzinger hat mit großem Scharfsinn und intellektueller Prägnanz theologische Beiträge geleistet, die weit über die katholische Kirche hinaus die Christenheit insgesamt und die Öffentlichkeit beeindruckt haben", erklärte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus.

Auch die evangelische Kirche lobte Benedikts Lebensleistung als Theologe. "Joseph Ratzinger hat mit großem Scharfsinn und intellektueller Prägnanz theologische Beiträge geleistet, die weit über die katholische Kirche hinaus die Christenheit insgesamt und die Öffentlichkeit beeindruckt haben", erklärte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, am Samstag in Hannover.

Bedford-Strohm würdigt "theologische Gelehrsamkeit" Benedikts

Ihr Vorgänger Heinrich Bedford-Strohm würdigte die "theologische Gelehrsamkeit" des verstorbenen früheren Papstes. Er habe großen Respekt vor dem Lebenswerk des früheren Papstes, sagte der bayerische Landesbischof am Samstag in München. Benedikt habe sich immer um den ökumenischen Dialog bemüht. So habe er beim Zustandekommen der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999 mit den lutherischen Kirchen eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings habe die Erklärung "Dominus Jesus", die der damalige Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation 2000 veröffentlicht hatte, "Verletzungen hinterlassen, die nachgewirkt haben", so Bedford-Strohm. Der Erklärung zufolge sind die protestantischen Kirchen nicht "Kirche im eigentlichen Sinne". Die damit verbundene Vorstellung, dass die katholische Kirche die eigentliche Kirche sei und anderen Kirchen nur "kirchliche Gemeinschaften", sei kein wirklich tragfähiges Konzept von Ökumene.

Auch die ehemalige Vatikanbotschafterin Annette Schavan würdigte den gestorbenen ehemaligen Papst. Mit seinem Tod gehe eine Ära zu Ende, sagte Schavan am Samstag in Berlin. Sein Leben sei geprägt gewesen von der leidenschaftlichen Liebe zur Kirche, aber auch immer wieder von der Sorge um die Kirche. Er habe die Kirche schützen wollen "vor Einflüssen der Welt, der er für nicht gut hielt und die nach seiner Ansicht der Tradition schadeten". Der frühere Papst sei nicht der Überzeugung gewesen, dass die Tradition die Zeichen der Zeit aufnehmen solle, so die ehemalige Bundesbildungsministerin. Benedikt XVI. war nach Angaben des Vatikan am Samstagvormittag in seinem Altersruhesitz im Vatikan gestorben. Benedikt, der mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger hieß, wurde 95 Jahre alt. Er stand von 2005 bis 2013 an der Spitze der katholischen Kirche. Nach acht Jahren als Pontifex verzichtete Benedikt XVI. 2013 überraschend auf das Papstamt und lebte fortan zurückgezogen im Vatikan. (stz/epd/KNA)