Dreikönigssegen: Ein Aberglaube mit christlicher Füllung?
Um den Dreikönigstag herum ziehen in diesem Jahr wieder die Sternsinger von Haus zu Haus. Die als Dreikönige verkleideten Ministranten singen ihr Lied oder sagen einen Text auf und schreiben mit Kreide den Spruch "20*C+M+B+24" über den Türstock der Eingangstüre. Diesen Wunsch kann man das ganze Jahr über an vielen Haustüren lesen: Er zeugt davon, dass am Anfang des Jahres die Sternsinger zu Besuch waren und mit ihrem Gebet das Haus oder die Wohnung unter den Segen des menschgewordenen Gottes gestellt haben. Mit dem Weihrauch, den sie dabeihaben, bringen sie den Duft Gottes zu den Menschen und verdeutlichen dadurch, dass eine neue Zeit angebrochen ist.
Oft fragen die Menschen, was dieser Spruch, den die Sternsinger an die Türen schreiben, überhaupt zu bedeuten habe. Nicht selten hört man dann, dass die Kombination aus Jahreszahl, Kreuzen und den drei Buchstaben keineswegs eine Abkürzung für die Namen Caspar, Melchior und Balthasar sei. So zumindest wurden die drei Weisen aus dem Morgenland vor vielen Jahrhunderten im lateinischen Westen "getauft". Es liegt gewissermaßen auf der Hand, dass die Sternsinger die Namen der Könige über die Türen schreiben. Doch vielmehr wird dann hervorgehoben, die Buchstaben "C+M+B" stünden als Abkürzung für den lateinischen Segenswunsch "Christus mansionem benedicat – Christus möge dieses Haus segnen". Auf keinen Fall aber dürfe man den Segensspruch der Sternsinger als Caspar, Melchior und Balthasar interpretieren, heißt es immer wieder.
Ein alter Abwehrzauber für Haus und Hof?
Wenn man den Dingen aber einmal auf den Grund geht, muss man feststellen, dass der Sachverhalt wohl ein anderer ist: Bereits ein Blick in das Lexikon für Theologie und Kirche aus dem Jahr 1959 hilft weiter. Hier wird unter dem Lemma "Drei Könige" mit keinem Wort der lateinische Segenswunsch "Christus mansionem benedicat" erwähnt. Vielmehr schreibt der österreichische Volkskundler Anton Dörrer dort: "Der Abwehrsegen der Drei Könige soll Ungutes von Hof und Haus fernhalten. Er lebt fast nur mehr in der ländlichen Sitte fort, dass der Hausvater am Vorabend die Anfangsbuchstaben der Drei Könige, vielerorts mit Kreuz und Jahreszahl verbunden (19+C+M+B+59), auf die oberen Türbalken im Hause kreidet, indes die Hausmutter alle Hausräume ausräuchert und die Angehörigen ihnen betend folgen." Eine fromme Deutung des C+M+B als Segensbitte, die zumindest Annemarie Brückner in der Ausgabe des LThK von 1993 ausdrücklich anführt, wird nicht erwähnt. Stattdessen betont Dörrer den Brauch des Abwehrsegens, der mit den traditionellen Namen der Drei Könige verbunden scheint. Das ist vor allem deshalb logisch, da man mancherorts noch heute nicht "C+M+B" an die Türen schreibt, sondern "K+M+B". Der Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs jedenfalls weist darauf hin, dass man auch bei dieser Buchstabenkombination eine "fromme" Variante gefunden habe: "Kyrios mansionem benedicat". Offensichtlicher ist aber die Erklärung, man habe den Namen Kaspar oder Gaspar geschrieben.
Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass der Spruch der Sternsinger im ursprünglichen Sinn tatsächlich nichts anders als Caspar, Melchior und Balthasar bedeutete. Die Ausdeutung dieser drei Initialen als lateinischen Segenspruch geschah vielleicht in den 1960er Jahren, als das Sternsingen in Deutschland an Popularität zunahm. Da die Sternsinger nicht nur um eine milde Gabe für die notleidenden Kinder dieser Welt bitten, sondern auch den Segen in die Häuser der Städte und Gemeinden bringen, bot sich eine neue, auf Christus zentrierte Lesart des alten Segensspruches an.
Dass die Namen der Drei Könige über die Türen von Haus und Hof geschrieben wurden, hängt wahrscheinlich sehr eng mit den zahlreichen Brauchtümern zusammen, die um den Dreikönigstag herum gepflegt wurden. Die Dreikönigsnacht ist die letzte der sogenannten Rauhnächte und – wie beispielsweise auch die Thomasnacht am 21. Dezember – mit einem ausgeprägten Aberglauben verbunden. Althergebrachte heidnische Traditionen und christlicher Glaube wurden in diesen Tagen aufs engste miteinander verknüpft: Dies wird zum Beispiel an den besonders zwischen Weihnachten und Dreikönig praktizierten Haussegnungen deutlich, die dazu dienen, das Böse aus dem Haus zu vertreiben und die Wohnungen der Menschen dem Machtbereich Gottes zu unterstellen. Seit alters her ist mit dem Dreikönigstag ein besonderer Aberglaube verbunden; das Wasser, das an diesem Tag in der Liturgie gesegnet wird, wurde als "hochgeweihtes" Wasser angesehen, dem man eine besondere Wirkkraft zusprach.
In diesem mannigfaltigen Aberglauben hat auch der Namenssegen des Dreikönigtages seinen ursprünglichen Platz. Vermutlich diente das Schreiben der Dreikönigsnamen an die Türen dazu, das Böse schon an der Haustüre abzuwehren und daran zu hindern, die Wohnung zu betreten. Hervorragend eigneten sich dafür die traditionellen Namen der Dreikönige, da sie als besonders wirkmächtig angesehen wurden. Die Initialen "C+M+B" wurden als Abwehrsegen verwandt, wie schon Anton Dörrer in seinem LThK-Beitrag schreibt. Das jedenfalls ist eine mögliche Interpretation, die sich gut in das ausgeprägte Brauchtum um die Rauhnächte einpasst. Eine ursprünglich heidnische Tradition wurde so mit einem christlichen Inhalt gefüllt und hat sich bis in die heutigen Tage erhalten.
Mit (neuem) Blick auf das Wesentliche
Den Segen der Sternsinger als "Christus mansionem benedicat" auszudeuten, ist eine gute Möglichkeit, den Besuch der Sternsinger auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie kommen, um den Menschen den Segen des menschgewordenen Gottes zu bringen, um diesen Segen für Häuser und Wohnungen zu erbitten. Und die Sternsinger selbst werden zum Segen, wenn sie mit den gesammelten Spenden notleidende Kinder in dieser Welt unterstützen. Das ist eine schöne Tradition: Gerade für das neue Jahr ist der Segen Gottes für Haus, Hof und für die Familie wichtig. Wie der aaronitische Segensspruch in der Liturgie des Neujahrstages seinen Platz hat, gehört der Segenswunsch der Sternsinger zum Dreikönigsfest. Der Segen verdeutlicht, dass das ganze Leben in der Gegenwart des lebendigen Gottes steht, der an Weihnachten Mensch geworden ist. Das ist Geschenk und Verheißung zugleich.
Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass hinter dem Anschreiberitus der Sternsinger eine viele ältere, viel komplexere Wirklichkeit steht. Jene, die besonders in diesen Tagen zwischen Weihnachten und Dreikönig in vielerlei überlieferten Riten zum Ausdruck kommt. Es ist die Vorstellung einer Wirklichkeit, die von einem Dualismus von Gut und Böse geprägt ist. Und von einer Welt, in der das Böse durch konkrete Handlungen abgewehrt werden kann. Uralter Volksglaube hat sich im Segenswunsch der Sternsinger bis heute erhalten. Freilich hat sich das Verständnis gewandelt: Nicht mehr die Macht der Heiligen Drei Könige steht im Vordergrund, in deren Namen man das Böse von Haus und Hof fernhalten kann. Der Blick wird auf Christus gelenkt, den menschgewordenen Gottessohn, der das Leben der Menschen mitgeht und begleitet.
Das Anschreiben der Initialen "C+M+B" über den Haustüren mag seine Ursprünge in einem uralten Zauber haben, dessen Bedeutung auf uns heute teilweise befremdlich wirkt. Doch die Relecture als lateinischer Segenswunsch und die christozentrische Ausrichtung ermöglichen es, hinter dem alten Brauchtum eine bis heute gültige Botschaft zu entdecken. Die gute Nachricht von Weihnachten nämlich, dass Gott in Christus unser Leben begleitet, unser Schicksal teilt und unser Leben an allen Tagen des Jahres begleitet. Daran kann man sich beim Durchschreiten der Haustür jedes Mal aufs Neue erinnern, wenn man die Augen zum Türsturz erhebt und die Inschrift der Sternsinger entdeckt: 20*C+M+B+24.