Trotz neuer Grundordnung bleibt Reformbedarf im Kirchen-Arbeitsrecht
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
So schnell gehen Reformen in der Kirche selten: In drei Vierteln der deutschen Diözesen gilt das neue kirchliche Arbeitsrecht schon seit dem 1. Januar. Erst im November einigten sich die Bischöfe auf die Musternorm. Die fehlenden wollen schnell nachziehen. Doch so groß die Reform und so unbestritten die Verbesserung für Menschen in aus Sicht der Lehre der Kirche “ungeordneten Lebensumständen” ist: Die Reform ist nur ein Schritt hin zu einer Kirche, die Vielfalt wirklich als Bereicherung sieht, wie es sogar im Normtext selbst heißt.
Zunächst muss sich die neue Toleranz noch in der Praxis bewähren. Auch wenn Arbeitsrechtler Entwarnung geben: Die tiefen Verletzungen, die die Kirche mit ihrer Verknüpfung von Arbeitsrecht und Sexualmoral erzeugt hat, wirken nach und führen zu Misstrauen, ob nicht doch ein Dienstgeber in bestimmten höchstpersönlichen Lebensformen ein sanktionsbewehrtes "öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche" entdeckt – schließlich ist die Lehre der Kirche, insbesondere ihre Geschlechteranthropologie mit all ihren Unwerturteilen, nicht außer Kraft gesetzt. Die Caritas hat mit ihren "zehn Zusagen für Mitarbeitende" einen Weg gezeigt, wie Vertrauen aufgebaut werden kann.
Der offensichtliche Widerspruch zwischen kirchlicher Morallehre und kirchlichem Arbeitsrecht ist die zweite Baustelle. Warum ist die Vielfalt der Lebensformen hier eine Abweichung vom christlichen Menschenbild, da Bereicherung am Arbeitsplatz? Die Bischöfe, die keinen Bedarf an einer lehrmäßigen Veränderung sehen, begründen ihre Zustimmung zur neuen Grundordnung mit Notwendigkeiten von außen. Aber auch sie müssen zumindest zur Kenntnis nehmen, dass sie mit ihrer Gesetzgebung Wertungswidersprüche ins Recht gebracht haben, die ohne eine Revision der Lehre oder des Arbeitsrechts nicht aus der Welt geschafft werden können. Bleibt die Spannung in der Schwebe, wächst die ohnehin kaum noch vorhandene Autorität der Kirche auf moralischem Gebiet sicher nicht.
Schließlich darf nicht der Eindruck entstehen, die Reform der Grundordnung sei der Abschluss der Reformtätigkeit. Immer noch gibt es Bereiche, in denen Vielfalt Stein des Anstoßes statt Bereicherung ist. Die meisten Bistümer haben ihre Missio-Ordnungen noch nicht geändert: Formal gelten also die alten, strengen Anforderungen an die Lebensform für katholische Religionslehrkräfte an staatlichen Schulen weiter, für die die Grundordnung nicht gilt. Für Lehrkräfte, Professorinnen und Professoren sowie pastorale Mitarbeitende im caritativen Dienst sieht auch das universale Kirchenrecht besondere Loyalitätsobliegenheiten im persönlichen Leben vor. Auch wenn alle diözesanen Ordnungen und Gesetze im Geist der Grundordnung angepasst werden: Ohne Konfliktbereitschaft Richtung Rom können diese Spannungen auf Ebene des universalen Kirchenrechts nicht angegangen werden.
Die Reform der Grundordnung war ein wichtiger und in Teilen revolutionärer Schritt. Aber eben nur ein Schritt auf einem noch langen Weg hin zu einer Kirche, die nicht diskriminiert.
Der Autor
Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.