Gemischte Reaktionen auf Kardinal Pells Tod – Papst: "Treuer Diener"
Papst Franziskus hat den am Dienstagabend gestorbenen Kardinal George Pell wegen seines Einsatzes für eine Reform der Vatikanfinanzen gewürdigt. In einem am Mittwoch veröffentlichten Telegramm des Papstes heißt es, er erinnere sich voller Dankbarkeit an Pells Einsatz für die Reform des vatikanischen Wirtschaftssektors, für die er "mit Entschlossenheit und Weisheit die Grundlagen geschaffen" habe. Offenbar mit Blick auf Pells australische Monate im Gefängnis nach seiner später für unrechtmäßig befundenen Verurteilung schrieb Franziskus, Pell sei "ein treuer Diener" gewesen. Er sei "seinem Herrn ohne zu wanken und mit Ausdauer gefolgt, auch in der Stunde der Prüfung". Pells Angehörigen und allen, die über seinen Tod trauern, sprach der Papst in dem Schreiben sein Beileid aus.
Australien reagierte mit gemischten Gefühlen auf den überraschenden Tod Pells. Kirchenvertreter betonten die bedeutende theologische Rolle des früheren Erzbischofs von Sydney und Melbourne; Missbrauchsbetroffene und ihre Anwälte kritisierten die Rolle des Geistlichen im Umgang der Kirche mit dem Thema. Die konservative politische Opposition sieht Pell wegen seiner Verurteilung und zwischenzeitlichen Inhaftierung in einem Missbrauchsverfahren als ein "Opfer politischer Verfolgung". Premierminister Anthony Albanese sagte im TV-Sender SBS News, Pells Tod sei "ein schwerer Tag für viele Menschen". Australiens Bischofskonferenz betonte Pells "starke und klare Führung in der katholischen Kirche in Australien". Sein Einfluss auf das Leben der Kirche werde auch international "noch viele Jahre zu spüren sein".
"Erbitterter Verteidiger des katholischen Glaubens"
Oppositionsführer Peter Dutton lobte den Verstorbenen auf Twitter als "erbitterten Verteidiger des katholischen Glaubens und der christlichen Ideale". Der Regierung und Justiz des Bundesstaates Victoria warf Dutton wegen der Prozesse gegen Pell wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs "moderne politische Verfolgung" vor. Ähnlich äußerte sich Ex-Premier Tony Abbott; er nannte Pells zeitweise Inhaftierung eine "moderne Form der Kreuzigung". Journalistische Kommentatoren kritisierten Pells Rolle im australischen Missbrauchsskandal. Die Zeitung "Sydney Morning Herald" schrieb, der Kardinal "konnte bei der Wahrnehmung kirchlicher Interessen rücksichtslos und sogar machiavellistisch sein". Und weiter: "Die Kulturkriege, die Kardinal Pell mit solcher Entschlossenheit und Lust geführt hat, sind im Jahr 2023 zunehmend irrelevant."
Pell war am Dienstag mit 81 Jahren in Rom an den Folgen einer Hüftoperation gestorben. Er war von 2014 bis 2017 als Verantwortlicher für Wirtschafts- und Finanzfragen einer der mächtigsten Männer im Vatikan. 2018 geriet Pell weltweit in die Schlagzeilen, als er von einem Strafgericht in Melbourne wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. 2020 wurde er in letzter Instanz freigesprochen und aus dem Gefängnis entlassen. Danach kehrte er nach Rom zurück. Nach Angaben der Erzdiözese Sydney wird Pells Leichnam nach der Trauerfeier in Rom nach Australien überführt und in der Krypta der Kathedrale von Sydney beigesetzt. Derzeit ist in Melbourne in Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen noch ein zivilrechtliches Verfahren gegen Pell anhängig. Es soll laut australischen Medien auch nach seinem Tod weitergehen. (tmg/KNA)