Vorwürfe gegen Kardinal Woelki nach Zeugenbefragung nicht erhärtet
Konkrete Vorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki, er habe die Unwahrheit gesagt, haben sich nach einer Zeugenbefragung vor dem Landgericht Köln nicht erhärtet. In dem presserechtlichen Verfahren, in dem Woelki gegen die "Bild"-Zeitung klagt, sagte am Mittwoch der frühere Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Köln, Oliver Vogt, aus.
Dabei berichtete der 53-Jährige, er könne nicht sagen, ob der Erzbischof ganz konkret die belastenden Inhalte aus der Personalakte eines Priesters und eine Polizeiwarnung kannte, bevor er den Geistlichen 2017 beförderte. Dies berichtet "Bild", wogegen sich Woelki wehrt. Nach der Befragung des Zeugen gab es unterschiedliche Deutungen der am Prozess beteiligten Parteien – und das ganz unabhängig von der moralischen Frage, ob der Kardinal mehr hätte wissen können oder gar müssen.
Zu den Aufgaben Vogts gehörte es, als Missbrauchsbeauftragter ab 2015 aus verschiedenen Beständen Dokumente zu sämtlichen Fällen sexualisierter Gewalt zusammenzutragen. Dabei fasste er nach eigenen Angaben auch das vorhandene Material über den betreffenden Priester zusammen. Diese Sammlung habe er 2015 dem Kardinal zukommen lassen, damit dieser über eine Anhörung des Geistlichen wegen der vielen Vorwürfe entscheiden konnte.
Fall 2015 als besonders brisant eingestuft
Vogt sagte weiter aus, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob in den Dokumenten auch die belastenden Inhalte aus der Personalakte oder die Warnung der Polizei vor einem Einsatz des Priesters in der Jugendarbeit enthalten waren. Er gehe aber davon aus. Auch wisse er nicht, ob Woelki diese Dokumente gelesen habe. Die Personalakte selbst habe der Erzbischof nicht von ihm bekommen.
Nach den Worten Vogts hatten 2015 der damalige Personalchef und der Generalvikar den Fall des Geistlichen als besonders brisant dargestellt, weil auch auf die aktenkundig gewordenen Vorwürfe nicht adäquat reagiert worden sei. Woelki habe schließlich entschieden, Vogt solle den Geistlichen anhören. Über diese Anhörung habe er ein Protokoll verfasst, das über den Kardinal 2018 – also schon nach der Beförderung – an die Glaubenskongregation weitergeleitet worden sei.
Im Vorfeld der Anhörung habe er mit dem Erzbischof auch über den Fall geredet. Ob dabei die Inhalte der Personalakte oder die Polizeiwarnung eine Rolle gespielt hätten, könne er heute nicht mehr sicher sagen. Auch zur Vorbereitung der Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz, die 2018 erschien, habe er mit dem Erzbischof über den Fall gesprochen. Dies sei allerdings auch erst nach der Beförderung des Geistlichen gewesen.
Neben dem juristischen Streit um die Berichte der "Bild"-Zeitung, um die es in der aktuellen Befragung ging, gibt es auch noch eine eidesstattliche Versicherung, wegen der die Staatsanwaltschaft tätig wurde. Darin betont Woelki, nur von einem Jahre zurückliegenden sexuellen Kontakt des Mannes mit einem Prostituierten sowie von "weiteren Gerüchten" gehört zu haben.
Als erste Zeugin war dazu die langjährige Sekretärin des früheren Kölner Kardinals Joachim Meisner vernommen worden. Sie gab an, Woelki schon um das Jahr 2010 in seiner Zeit als Kölner Weihbischof über Saunabesuche des Priesters mit Messdienern und anzügliche Bemerkungen gegenüber Jugendlichen informiert zu haben. Sie erklärte aber auch, dass sie weder die Personalakte noch die Polizeiwarnung gesehen und daher mit Woelki auch nicht darüber gesprochen habe. Nach ihrer Aussage nahm die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen gegen Woelki wegen des Vorwurfs einer falschen eidesstattlichen Versicherung auf.
Entscheidung soll am 8. März verkündet werden
Das kirchliche Strafverfahren gegen den Geistlichen endete im vergangenen Monat mit einem Freispruch. Er darf wieder als Priester tätig sein, allerdings weder in der Kinder- und Jugendarbeit noch in der Pfarreiseelsorge oder in leitender Position. Die 28. Zivilkammer unter Vorsitz von Dirk Eßer da Silva ließ am Mittwoch offen, ob sie noch weitere Beweise erheben will. Eine Entscheidung soll am 8. März verkündet werden.
Woelkis Rechtsbeistand Carsten Brennecke betonte nach der Verhandlung, die Darstellung des Erzbischofs sei nach der Vernehmung des von "Bild" eingeführten Zeugen Vogt nicht erschüttert worden. Es habe nie mehr als größtenteils anonym vorgetragene Verdachtsmomente und in diesem Sinne Gerüchte gegen den Pfarrer gegeben, aber keine Beweise.
Ein Sprecher von "Bild" erklärte dagegen: "Die Beweisaufnahme hat heute bestätigt, was 'Bild' aufgedeckt und berichtet hat. Schon anhand der Aussagen der bisherigen Zeugen steht fest, dass Kardinal Woelki von allen relevanten Vorwürfen wusste, bevor er den Priester befördert hat. Sollte das Gericht trotzdem noch nicht abschließend entschieden sein, müsste jetzt der Kardinal persönlich vernommen werden." (KNA)
11.01.23, 18.15 Uhr: Meldung überarbeitet und ergänzt um weitere Details