Zeitung: Gänswein muss zum 1. Februar Wohnung im Vatikan räumen
Einem Bericht zufolge muss Erzbischof Georg Gänswein schon am 1. Februar aus dem Kloster Mater Ecclesiae ausziehen, dem Altersruhesitz von Benedikt XVI. Laut der "Zeit" (Mittwoch) wurde ihm der Auszugstermin am Tag der Beerdigung des emeritierten Papstes in einem von Papst Franziskus persönlich unterzeichneten Schreiben mitgeteilt. Unter Berufung auf Vatikankreise meldet dagegen die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA), dass es dieses Schreiben wohl nie gegeben habe.
Nach seinem Amtsverzicht Ende Februar 2013 hatte sich der emeritierte Papst zunächst in die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo zurückgezogen, zog aber schon im Mai in das Klostergebäude in den vatikanischen Gärten. Dort lebte er bis zu seinem Tod mit vier Haushälterinnen aus der Laienvereinigung Memores Domini und seinem Privatsekretär Gänswein, der dort ein Zimmer hatte. Auch die vier Frauen werden laut KNA in den kommenden Wochen das Kloster verlassen.
Nach dem Tod Benedikts XVI. wurden mehrere Interviews mit Gänswein veröffentlicht, in denen er die Bedeutung Benedikts XVI. hervorhob und Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt des Verstorbenen gab. Gegenüber dem Fernsehsender EWTN hielt er eine schnelle Seligsprechung für möglich. Zu Kontroversen und Verstimmungen im Vatikan und im Episkopat sowie anscheinend bis hin zu Papst Franziskus führte ein als Enthüllungsbuch angekündigtes Buch Gänsweins über seine Zeit mit dem Verstorbenen, das bereits am Mittwoch erschienen ist. Darin äußert er auch Kritik an Papst Franziskus. Gänswein selbst zeigte sich verärgert über Vorabveröffentlichungen aus dem Buch.
Gänswein selbst hat in "Nichts als die Wahrheit" auch über seine eigene Wohnsituation geschrieben. So habe er nicht die traditionelle Wohnung des Präfekten des Päpstlichen Hauses im Apostolischen Palast übernehmen können, nachdem sie von seinem Amtsvorgänger erst im Pontifikat von Franziskus geräumt wurde. Der Papst habe ihn gebeten, die Wohnung nicht zu beziehen, nachdem Gänswein schon mit der Umzugsorganisation begonnen hatte. Statt ihm nutze einer der Sekretäre des Staatssekretariats, Erzbischof Paul Gallagher, die Wohnung. Später sei Gänswein eine Wohnung im Gästehaus Santa Marta zugeteilt worden. "Der physische Auszug aus dem Apostolischen Palast war ein Vorbote der nachfolgenden Entwicklungen", schreibt der Erzbischof mit Blick auf die Kontroverse, die zu seiner Beurlaubung als Präfekt führte.
Papst, Kardinäle und Bischöfe verstimmt
Öffentliche Äußerungen von Papst Franziskus selbst gibt es bislang nicht. Am Montag teilte das Presseamt des Heiligen Stuhls mit, dass der Papst Gänswein in einer Privataudienz empfangen hat. Inhalte aus dem Gespräch sind nicht bekannt. Medienberichten nach soll Gänwein bereits zuvor von Kardinalstaatssekreät Pietro Parolin und Papst Franziskus zum Gespräch einbestellt worden sein. Bei seiner Predigt zu Epiphanie hatte der Papst abweichend vom ursprünglichen Manuskript eine spontane Bemerkung hinzugefügt. Nach dem Satz "Beten wir Gott an und nicht die falschen Götzen, die uns mit der Verlockung von Ansehen und Macht verführen" ergänzte er noch "mit der Verlockung falscher Nachrichten". Auch beim Angelus am Sonntag griff der Papst das Thema noch einmal auf: "Bin ich ein Jünger der Liebe Jesu oder ein Jünger des Klatsches, der spaltet? Klatsch ist eine tödliche Waffe: Er tötet, er tötet die Liebe, er tötet die Gesellschaft, er tötet die Brüderlichkeit. Fragen wir uns: Bin ich ein Mensch, der spaltet, oder ein Mensch, der mitfühlt?"
Offiziell ist Gänswein immer noch Präfekt des Päpstlichen Hauses. Nach einem Zerwürfnis mit Papst Franziskus über eine Buchveröffentlichung von Kardinal Sarah ist er in diesem Amt auf unbestimmte Zeit beurlaubt. In seinem Buch bezeichnete er die Beurlaubung als Demütigung. Was aus dem Kurienerzbischof nun wird, ist noch nicht bekannt. Spekuliert wurde über eine Ernennung für einen der vakanten Bischofssitze in Deutschland, den Einsatz im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls oder eine Professur an einer päpstlichen Universität.
Das Kloster Mater Ecclesiae wurde 1994 von Papst Johannes Paul II. eingeweiht und wurde bis zum Einzug des emeritierten Papstes von verschiedenen Ordensgemeinschaften bewohnt, die im fünfjährigen Rhythmus wechselten. Die Aufgabe der Ordensfrauen war die Fürbitte und das Gebet für den Papst und die Kurie, außerdem unterstützten sie den Haushalt des Papstes mit Garten- und Handarbeiten. Nach dem Tod von Benedikt XVI. soll das Kloster nun renoviert werden. Eine Entscheidung über die künftige Verwendung ist noch nicht bekannt. (fxn)
12. Januar 2023, 12:30 Uhr: Ergänzt um Angaben aus "Nichts als die Wahrheit".
12. Januar 2023, 16 Uhr: Ergänzt um Informationen aus Vatikankreisen.