So feiern Katholiken in China das Mond-Neujahr
In China und vielen anderen asiatischen Kulturen wird heute der Beginn eines neuen Jahres gefeiert. Dieses Fest basiert auf dem alten chinesischen Kalendersystem, das sich nicht nach der Sonne, sondern dem Mond orientiert. Im Laufe der Jahrhunderte war das Mond-Neujahr fester Bestandteil der chinesischen Volksreligion, entwickelte sich aber auch außerhalb des Landes weiter. Heute feiern viele Asiaten das Mond-Neujahr in ihrer eigenen nationalen Prägung, wie zum Beispiel "Neujahrstag" (Seollal) in Korea oder "Fest des ersten Morgens" (Tết Nguyên Đán) in Vietnam. Wie katholische Chinesen in Deutschland und China das Mond-Neujahr feiern, erklärt Thomas Li im Interview. Er ist katholischer Priester, stammt aus Beijing in China und hat vor Kurzem im Fach Exegese in Bochum promoviert.
Frage: Das Mond-Neujahr entstammt eigentlich der chinesischen Volksreligion. Feiern Christen trotzdem mit?
Li: Das chinesische Neujahrsfest (Frühlingsfest) wird in China sowohl von der katholischen und der evangelischen Kirche als auch von anderen Religionen gefeiert. Nach dem liturgischen Jahr der katholischen Kirche feiern die Chinesen das Neujahrsfest in manchen Jahren während der Fastenzeit. Die Kirche vertritt sogar offiziell die Auffassung, dass chinesische Christen von der Verpflichtung zur Einhaltung der Fastenzeit befreit sind, wenn das chinesische Neujahrsfest mit dem Aschermittwoch zusammenfällt.
Frage: Feiern Sie das Mond-Neujahr ebenfalls?
Li: Ich bin ein Christ und ich bin auch Chinese. China hat eine sehr alte Kultur und das chinesische Neujahrsfest ist ein reiches kulturelles Erbe. Deshalb feiere ich nicht nur christliche Feste wie Weihnachten und Ostern, sondern auch traditionelle chinesische Feste wie das Frühlingsfest, das Drachenbootfest, das Mondfest und viele weitere. Diese Feste sind Ausdruck des Wunsches der Chinesen nach familiärer Harmonie, nach Frieden im Land und nach einem glücklichen und guten Leben der Menschen. Es handelt sich um ein kulturelles Erbe, das mit den vom Christentum verkündeten Werten übereinstimmt.
„Es ist in erster Linie eine Art, unsere Kultur weiterzugeben und uns als Chinesen zu identifizieren.“
Frage: In Deutschland feiern Christen Silvester und Neujahr mit Gottesdiensten. Das Mond-Neujahr hat seinen Ursprung aber in einer anderen Religion. Empfinden Sie es noch als Feier einer anderen Religion?
Li: In der chinesischen Kultur enthält die Feier des Frühlingsfests Traditionen der Volksreligion, aber das christliche Neujahrsfest verzichtet auf einige dieser Elemente.
Die chinesischen Christen beginnen ihr Neujahrsfest stattdessen ebenfalls mit dem Hochamt. Am Tag davor, der in China auch als Silvester bekannt ist, versammeln sich die Christen in der Kirche, um mit Musik, die auf traditionellen Instrumenten gespielt wird, den großen Dankgottesdienst zu feiern und Gott für seinen Segen und seine Begleitung während des Jahres zu danken.
Am Neujahrstag verbringen chinesische Christen den Vormittag in der Kirche. Für gewöhnlich tragen nach chinesischer Tradition alle – vor allem die Kinder – dabei wenigstens einige neue Kleidungsstücke, zumindest neue Schuhe. Am Ende der Eucharistiefeier knien alle Katholiken zusammen mit dem Priester nieder, um Gott und der Gottesmutter Maria zum Neujahr zu gratulieren, dann stehen die Gläubigen auf, um den Priestern Frohes Neujahr zu sagen, und schließlich begrüßen sich alle Besucher mit einem Nicken, einem Handschlag oder einer Umarmung gegenseitig zum Neujahr.
Frage: Übernehmen diese Gottesdienste Elemente der chinesischen Tradition? Li: Ja, in der katholischen Liturgie in China nennen wir das Hochamt zum Vorabend des Neujahrs "Hochamt zur Dankbarkeit" und "Hochamt zum Bitten um Gnade Gottes zum Frühlingsfest". Die Perikopen der Lesungen und des Evangeliums in der Messe stehen im Einklang mit dem Thema des chinesischen Neujahrsfestes.
Auch die Kirchen sind sehr festlich und besonders geschmückt. Der Kirchhof ist mit roten Laternen geschmückt, die den Wunsch zum Ausdruck bringen, dass das neue Jahr voller Glück und Freude sein wird. Der Hauseingang der Kirche (vor allem der Türrahmen) ist wie alle chinesischen Häuser und Wohnungen zu der Zeit mit roten Spruchbändern, den Hong Duìlián (红对联) verziert. Bei uns bestimmen Themen der christlichen Verkündigung und christliche Segenssprüche deren Inhalte.
Frage: Ist es unter Christen dennoch umstritten, das Mond-Neujahr mitzufeiern?
Li: Soweit ich weiß, ist es nicht umstritten. Denn es ist in erster Linie eine Art, unsere Kultur weiterzugeben und uns als Chinesen zu identifizieren. So wie Jesus Christus als Sohn Gottes seine jüdische Identität nicht verleugnete und das Feiern traditioneller jüdischer Feste nicht abschaffte, sondern regelmäßig an jüdischen Feiertagen teilnahm, müssen die chinesischen Christen ihre Kultur auch nicht vergessen.
Frage: Ist für Sie der Neujahrstag auch ein Tag, um den Eltern und Ahnen Respekt zu erweisen? In welcher Form machen Sie das als Katholik?
Li: Die Ehrung der Eltern wird in der chinesischen Kultur sehr stark betont. Am Tag des chinesischen Neujahrs besuchen die Menschen Freunde, Verwandte, Nachbarn und Bekannte, um ihnen ein gutes neues Jahr zu wünschen. Aber als chinesische Christen geben wir Neujahrgrüße zuerst Gott, dann den Eltern. Eine der wichtigsten Zeremonien zum Neujahr ist der "Ketou" (磕头) vor Gott und den Eltern: Die Kinder und Enkelkindern knieen dabei nieder vor den Eltern und verbeugen sich, bis der Kopf die Erde berührt. Dreimal für Gott und jeweils einmal vor den Eltern.
Auf die wichtigste Neujahrsgratulation, "Gongxi Facai (恭喜发财): Herzlichen Glückwunsch, mögest du reich werden!" hin geben die Eltern / Großeltern den Kindern dann, worauf diese sich schon lange freuen: die "Hongbaos" (红包), also rote Umschläge mit Geld.
Anders als in Taiwan, wo es vor allem vor Ahnenaltären in den Kirchen eine entsprechende christliche Liturgie zur Ahnenverehrung gibt, ist dies im Festland-China noch nicht üblich.
Frage: Machen Sie dieses Jahr etwas Besonderes zu Neujahr oder zum Laternenfest?
Li: Ich werde das chinesische Hase-Neujahr im Jahr 2023 in Deutschland feiern. Im Erzbistum Köln gibt es die "Gemeinde der chinesischen Katholiken am Rhein". Diese feiert am 22. Januar in Sankt Augustin bei den Steyler Missionaren ihr Neujahrsfest. Dazu kommen auch Mitglieder und Freunde der Pfarrei aus anderen Diözesen. Wir werden ein Hochamt feiern und danach alle gemeinsam "Jiaozi"(饺子), chinesische Maultaschen kochen und gemeinsam essen.
"Gongxi Facai – Herzlichen Glückwunsch, mögest du reich werden." Das wünschen wir auch Ihnen, wobei der eigentliche Reichtum eines Christen natürlich in der Fülle der Gnaden Gottes besteht!