Der Papst ist das Symbol eines in sich geschlossenen Machtsystems
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Der Mann in Weiß. Eine Million Menschen wollte Papst Franziskus sehen, als er jetzt zu Besuch in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) war. Es ist noch kein Menschenalter her, da zogen Papstbesuche auch hierzulande Gläubige und/oder Groupies in Massen an. Rund zwei Millionen waren es 1980 bei Johannes Paul II. Seinem Nachfolger Benedikt XVI. jubelten 2005 zum Abschluss des Weltjugendtags in Köln 1,2 Millionen Menschen zu.
Mit der Person des jeweiligen Amtsinhabers hat die Begeisterung nicht allzu viel zu tun. Es ist der Mythos des Papstamts, der die Menschen fasziniert. Die Vorstellung, dass da einer als "Stellvertreter Christi" auftritt und schon auf Erden ein Stückchen Himmel offenhält. Der Besuch von Papst Franziskus in Afrika hat wieder einmal gezeigt, was damit für die katholische Kirche drin ist. Immer noch. Mit seinen Appellen zum Frieden, dem Ruf nach sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung hat er ungezählten Menschen aus der Seele gesprochen. Sätze wie "eure Tränen sind meine Tränen, euer Schmerz ist mein Schmerz" gehen zu Herzen.
Die Autorität des Papstamtes beruht schon lange nicht mehr auf äußerem Zwang. Seine Macht, Menschen und vielleicht auch gesellschaftliche Verhältnisse zu bewegen, liegt allein im Kontrast zu den Mächtigen dieser Welt, in der Kraft der Botschaft von der Liebe Gottes und der Solidarität mit den Leidenden und Unterdrückten.
All das zerbirst, wenn die Kirche selbst zu einem Machtapparat wird. Die Gefahr des Machtmissbrauchs "liegt in der DNA der Kirche" (Bischof Heiner Wilmer), weil auch sie eine von Menschen geformte und gestaltete Institution ist. Machtmissbrauch in der Kirche ist aber nicht bloß ein Kratzer im Lack, eine unschöne Beule, sondern der Totalschaden.
Franziskus ist zu wach und zu lebenserfahren, um die Deformationen nicht zu erkennen. Viele seiner Symbolhandlungen, auch manche seiner Dampfplaudereien wirken wie der bisweilen hilflose Versuch, sich vom autoritären Gehabe des eigenen Apparats abzusetzen. Aber der Mann in Weiß kann nicht aus seiner Haut – und nicht aus seinem Gewand.
Homosexualität, hat er jetzt zum wiederholten Mal gesagt, sei "kein Verbrechen" – aber Sünde schon. Doch wie glaubwürdig und durchschlagend kann der Einsatz der Kirche für Menschenrechte sein, wenn sie in ihrer Lehre und Praxis selbst diskriminiert?
Mit solchen Widersprüchen ist der Papst Symbolgestalt nicht des offenen Himmels, sondern eines geschlossenen Systems, das seinen Machterhalt über Gottes Liebe zu den Menschen stellt.
Der Autor
Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.