DOK-Vorsitzender: Der Synodale Weg ist längst kein Sonderweg mehr
Zwei Tage vor Weihnachten: Ein Brief von der Deutschen Bischofskonferenz. Man habe mich als einen von zehn Online-Delegierten für die "Kontinentalversammlung" in Prag nominiert, 05.-09. Februar 2023. Eine Nominierung, an die ich wohl über den Vorsitz der Deutschen Ordensobernkonferenz komme. Die Versammlung steht im Kontext der von Papst Franziskus einberufenen Synode 2021-2024. Durchaus etwas "Größeres" und eine Ehre, dabei sein zu dürfen. Absagen steht außer Frage. Das Problem, das mich zunächst am meisten beschäftigt: Ich werde zu dieser Zeit in Indien sein. Generalvisitation unserer indischen Provinz. Aber das Internet ist dort stabil und die Zeitverschiebung von 4,5 Stunden müsste mit dem Tagungsverlauf kompatibel sein. Von daher sage ich zu.
Frust bei den Online-Delegierten wegen schlechter Organisation
Aus der Zusage wird eine ziemliche Verpflichtung: Ein Online-Treffen der deutschen Delegierten und dann landen in den Tagen vor dem Start in meinem E-Mail-Posteingang fast 50 E-Mails zusätzlich – viele davon mit Dokumenten, die ich zumindest halbwegs lesen möchte.
Als es dann schließlich losgeht, ist vieles unklar. Diejenigen von uns, die schon Delegierte beim "Synodalen Weg" sind, kennen die dortigen Verfahrensweisen und Methoden – die für die Kontinentalversammlung vorgeschlagene Methode des "geistlichen Gesprächs" ist den meisten nicht vertraut. Nur etwa die Hälfte der Online-Delegierten hat überhaupt einen Link für die Arbeitsgruppe. Mir fehlt er und damit hänge ich in der Luft: Wo habe ich überhaupt die Chance, mich einzubringen? Auch wenn sich diese technischen Dinge irgendwie im Lauf der Tage klären: Einer so wichtigen Versammlung hätte man doch eine bessere Organisation gewünscht. Bei nicht wenigen Online-Delegierten macht sich Frust breit. Und tatsächlich drängt sich manchmal die Frage auf, ob man unseren Beitrag überhaupt hören möchte, zumal uns Online-Delegierten im Lauf der Tage sogar der Chat abgeschaltet wurde. Wirkliche Partizipation sieht anders aus.
Alle 39 europäischen Konferenzen nehmen nacheinander in Statements Stellung zum Arbeitsdokument "Mach den Raum deines Zeltes weit", immer wieder unterbrochen von Gebet und Stille. Ein solches Prozedere ist mir von einer Ordensversammlung, die wir jüngst in Rom hatten, ein wenig vertraut. Man hört zu und reflektiert, ohne dass gleich alles diskutiert und entschieden wird. Das hat seinen Wert. Aber dann steht auch vieles einfach nebeneinander. Eine Einordnung, weder qualitativ noch quantitativ, weder historisch noch dogmatisch oder wie auch immer, findet im Plenum nicht statt. Hier die entschiedene Forderung nach der Priesterweihe der Frau – dort die kategorische Feststellung, dass jeder, der nicht der katholischen Sexualmoral entspricht, ein umkehrbedürftiger Sünder sei.
Ehrlich gesagt: Ich hätte gedacht, dass ich diese Spannungen leichter wegstecke. Von der Frau, die am Mikrofon ein flammendes Plädoyer für die tägliche Eucharistie abgelegt hat, unterscheidet mich wahrscheinlich gar nicht so viel. Das ist auch meine Glaubenspraxis. Wenn sie aber allen, die irgendwie "anders" sind, das Katholischsein abspricht, dann kann ich eigentlich nicht mehr einfach nur zuhören. Da möchte ich "Stopp!" hinausschreien. So geht das nicht. Da sind wir von Synodenfähigkeit noch weit entfernt. Denn: Nimmt es mir als (hoffentlich) treuem Katholiken wirklich etwas weg, wenn wir den Raum des Zeltes weitmachen und Menschen einen Platz beim liebenden Gott finden, auch wenn sie nicht unseren Normen entsprechen? Ich glaube nicht. Doch es tut sich bisweilen ein ordentlicher Graben auf.
„Ehrlich gesagt: Ich hätte gedacht, dass ich diese Spannungen leichter wegstecke.“
Solche Gräben und Spannungen kenne ich aus unseren internationalen Ordensversammlungen. Mit einem Bruder aus Afrika war ich mir jüngst auch ganz und gar nicht einig. Weder theologisch noch praktisch. Und dennoch konnten wir am Abend zusammen ein Bier trinken und Fußball schauen. Denn in der Basis unserer Berufung, da haben wir uns gegenseitig akzeptiert. Vielleicht haben wir da im Orden (vermutlich: in den Orden) etwas mehr Glück als es im Augenblick die Kirche in Europa zu haben scheint… Gerade deshalb ist für mich die Predigt des päpstlichen Nuntius in Tschechien, Jude Thaddeus Okolo – er stammt aus Nigeria, am letzten Tag so erfrischend. Er ruft dazu auf, religiöse und kulturelle Barrieren zu überwinden und ermutigt mehrmals "to think outside the box!"
Redlich bemühtes Redaktionsteam
Als das "Abschlussdokument" vorgelesen wird, ist zu spüren, dass sich das Redaktionsteam redlich bemüht hat, nahezu alle Stichworte, die irgendwann in diesen Tagen gefallen sind, aufzunehmen. Einzelne Länder werden immer wieder zitiert. Deutlich wird dabei auch: Was gerade in Deutschland im Synodalen Weg diskutiert wird, ist längst kein Sonderweg mehr. Vielleicht könnte man sagen, dass in diesen Tagen in Prag (oder online) etwas begonnen hat, was auch in Deutschland erst Fuß fassen musste und immer noch eingeübt wird.
Bruder Andreas Murk OFM Conv ist Vorsitzender der Deutschen Ordensobernkonferenz. Er nahm an der europäischen Etappe der Weltsynode als Online-Delegierter teil.