Nach Votum der Laiengremien der deutschen Bistümer zu Synodalen Räten

Münchner Diözesanratsvorsitzender: Fordere Willen zur Veränderung ein

Veröffentlicht am 17.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Obwohl Rom Synodalen Räten eine Absage erteilt hatte, sprachen sich die Diözesanräte der deutschen Bistümer dafür aus. Im katholisch.de-Interview erläutert der Vorsitzende des Münchner Diözesanrats, Armin Schalk, das Anliegen des Beschlusses – und warum mehr Mitspracherecht für Laien angebracht sei.

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Vertreter der Diözesan- und Katholikenräte in Deutschland hielten zuletzt bei ihrer Tagung in Passau fest, dass sie die vom Synodalen Weg vorgesehene Einrichtung eines Synodalen Ausschusses und Synodaler Räte unterstützen – trotz der deutlichen Intervention im jüngsten Brief aus dem Vatikan. Armin Schalk, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising, stimmte für den entsprechenden Beschluss. Sein Gremium hatte zuvor bereits die deutschen Bischöfe aufgefordert, ihre Differenzen beizulegen: Wo ein Wille zur Zusammenarbeit vorhanden sei, "wird der Heilige Geist auch einen Weg aufzeigen, wie ein Synodaler Rat trotz derzeit noch bestehender Bedenken eingerichtet werden kann", hieß es vor wenigen Wochen in einer Stellungnahme des Münchner Diözesanrats. Im Interview spricht Schalk über den Beschluss von Passau und erklärt, warum aus seiner Sicht die Mitgestaltung und Mitentscheidung von Laien in die Kirche immer wichtiger werde.

Frage: Herr Schalk, die deutschen Diözesan- und Katholikenräte haben jüngst beschlossen, dass sie trotz der vatikanischen Intervention an den Synodalen Räten festhalten wollen. Sind die Diözesanräte also dafür, es drauf ankommen zu lassen und Rom herauszufordern? Der Vatikan hat der Einrichtung von Synodalen Räten ja eine recht deutliche Absage erteilt…

Schalk: Die vierte Synodalversammlung im September hat beschlossen, dass es zunächst einen Synodalen Ausschuss gibt, der dann berät, wie ein Synodaler Rat aussehen soll. Und wir haben jetzt alle Beteiligten aufgefordert, diesen Weg auch wirklich zu beschreiten. Dieser Gesprächsprozess soll sowohl deutschlandweit als auch in den Bistümern weitergehen. Das ist der Kern dieser Erklärung. Und letztlich war ja die Frage der fünf Bischöfe in dem Brief nach Rom, ob sie an diesem Synodalen Ausschuss teilnehmen dürfen beziehungsweise müssen. Das wurde von Rom entsprechend beschieden. Aber wenn man – wie jetzt in der Vorbereitung für einen Synodalen Rat – nur miteinander spricht, kann es eigentlich kein Stoppschild geben. Es geht um einen Dialogprozess. Es geht darum, dass gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Das ist für uns das zentrale Anliegen.

Frage: Es hieß in dem Beschluss, dass sich alle Diözesan- und Katholikenräte für Synodale Räte aussprechen. Wie viel Einigkeit gab es bei dem Beschluss unter den Delegierten?

Schalk: Es ist bei jeder Abstimmung so, dass es Enthaltungen und auch Gegenstimmen gibt. Aber es war eine überwältigende Mehrheit dafür.

Frage: Wie stehen Sie im Münchner Diözesanrat zum Thema Synodale Räte?

Schalk: Wir stehen im Vorstand des Münchner Diözesanrates zu 100 Prozent dahinter. Auch unser Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, hat sich schon öffentlich ganz klar geäußert, dass er die Beschlüsse des Synodalen Wegs in der Erzdiözese umsetzen will. Insofern herrscht da zwischen Diözesanrat und Erzbischof Einigkeit, dass wir den Weg gemeinsam weitergehen wollen.

Armin Schalk
Bild: ©Erzdiözese München und Freising

Der Vorstand des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising stehe "zu 100 Prozent" hinter der Einrichtung eines Synodalen Rats, betont der Vorsitzende Armin Schalk.

Frage: Können Sie die Bedenken, die in dem Brief gegen Synodale Räte hervorgebracht werden, nachvollziehen?

Schalk: Nein, kann ich offen gestanden nicht. Wenn in Rom die Bereitschaft vorhanden wäre, aufeinander zu hören und sich gegenseitig auch bei unterschiedlichen Positionen zu respektieren, würden solche inhaltlichen Differenzen gar nicht entstehen. Generell bringt dieses Frage- und Antwortspiel in Briefform keine Lösung. Da wäre der Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom eine ganz große Chance gewesen, die aber insbesondere seitens Rom nur zum Teil genutzt wurde. Umso wichtiger ist jetzt, aus diesem Ad-limina-Besuch zu lernen und den Dialog weiter zu intensivieren.

Frage: Und was ist konkret mit ekklesiologischen Bedenken, wonach das Bischofsamt nicht mit der Idee eines Synodalen Rats vereinbar sei?

Schalk: Da zerbrechen sich momentan sehr viele Gelehrte ihre Köpfe, inwieweit das vereinbar ist. Für mich stellt sich eher die grundsätzliche Frage: Wollen wir unsere Kirche und damit auch die kirchlichen Strukturen weiterentwickeln? Und ich antworte ganz klar: Wir müssen sie weiterentwickeln! Wenn der Wille da ist, sich als Kirche zu bewegen und sich weiterzuentwickeln und nicht im Status quo zu verharren, also eine zukunftsfähige Kirche zu gestalten, dann ergeben sich für diese Fragestellungen meines Erachtens automatisch Lösungen. Aber den Willen zur Veränderung möchte ich einfordern! Denn sonst wird die Kirche hierzulande in der Bedeutungslosigkeit versinken. Unsere frohe Botschaft ist es wert, dass wir dafür kämpfen.

Frage: Es wird ja immer betont, die Einrichtung Synodaler Räte bewege sich im Rahmen des Kirchenrechts – am Ende sei trotz allem der einzelne Diözesanbischof die entscheidende Figur, ohne seine Zustimmung laufe nichts. Warum dann überhaupt einen Synodalen Rat, wenn er selbst nichts verbindlich entscheiden kann? Da würden ja die bisherigen Strukturen, vielleicht etwas reformiert, eigentlich ausreichen…

Schalk: Ich denke, dass die Thematiken, um die es heute in der Welt geht, sehr komplex sind. Diese Komplexität hängt auch mit unserer Informationsgesellschaft und dem Wertewandel zusammen. Da kann ich den Bischöfen in ihrer heutigen Position nur empfehlen, sich noch mehr beraten zu lassen. Deswegen teile ich absolut die Meinung, dass ein Synodaler Rat eher eine Stärkung und ein Gewinn für das Bischofsamt ist als eine Schwächung. Laien als Expertinnen und Experten aus der Mitte der Gesellschaft unterstützen die Arbeit des Bischofs – und sie übernehmen natürlich auch Mitverantwortung in der Umsetzung von Themen. Denn die Zeiten sind vorbei, in denen ein Bischof als Hirte eine Herde vergleichsweise unbedarfter Schafe hinter sich herführt.

Frage: Im Blick auf synodale Gremien herrscht bei Skeptikern oft Angst vor der Bildung "elitärer Zirkel", die dann wieder die Macht bei sich konzentrieren, die sie bei den Bischöfen beschneiden wollen. Wie treten Sie dem entgegen?

Schalk: Da spreche ich jetzt als Ehrenamtlicher: Für mich persönlich ist die katholische Kirche und unser gemeinsamer Glaube ein Herzensanliegen. Ich bringe da unglaublich viel Freizeit ein. Mir geht es darum, dass die frohe Botschaft unseres Herrn Jesus Christus bei uns eine Zukunft hat. Das ist meine Antriebsfeder. Mir geht es nicht um Macht. Der überwiegenden Anzahl von ehrenamtlich Engagierten geht es auch nicht darum. Es geht um die Frage der Mitgestaltung und Mitverantwortung. Wer sich intensiv einbringt, soll ein Mitspracherecht und auch ein Mitentscheidungsrecht haben.

Münchner Diözesanrat kritisiert Zerstrittenheit der deutschen Bischöfe

Man müsse sich "immer wieder rechtfertigen für das, was Teile der 'Chefetage' der katholischen Kirche in Deutschland und in Rom hier veranstalten": Der Münchner Diözesanrat hat daher einen Appell an die deutschen Bischöfe.

Frage: Wie nehmen Sie mit Blick auf das Thema Synodale Räte die Lage in München wahr? Gibt es da schon Planungen?

Schalk: Wir sind bereits in einem sehr intensiven Austausch. Da geht es natürlich auch um die Frage, wie man zukünftig etwas entscheiden kann. Wie können wir dabei bestmöglich zusammenwirken? Das ist ein sehr spannender Prozess, auf den wir uns innerhalb der Erzdiözese München und Freising gerade begeben. Er läuft in aller Offenheit ab. Neben dem Diözesanrat werden auch die weiteren diözesanen Beratungsgremien eingebunden wie Dekane, Priesterrat und pastorale Berufsgruppenvertreter.

Frage: Mal angenommen, die Mehrheit der Bischöfe knickt doch ein und es gibt am Ende doch keine Synodalen Räte. Gibt es aus Ihrer Sicht dann eine denkbare Alternative?

Schalk: Wenn wir die deutsche Ebene betrachten, möchte sich doch die überwiegende Mehrheit der Bischöfe auf diesen Weg begeben beziehungsweise ist bereits auf diesem Weg. Von daher bin ich recht zuversichtlich. Wenn es deutschlandweit dann doch nicht klappt, wird das Thema aber auf jeden Fall in den Diözesen in irgendeiner Form weitergehen. Unser Treffen in Passau hat gezeigt: Auch in den Diözesen, bei denen der Eindruck besteht, dass der Veränderungswille nicht so groß ist, gibt es auf jeden Fall bei den Räten sehr wohl den Wunsch nach Veränderung. Ich kann hier nur nochmal auf den Schlusssatz der jüngsten Stellungnahme des Münchner Diözesanrats hinweisen, der deutschlandweit und in den Diözesen angewendet werden kann: "Wo ein Wille zur Zusammenarbeit im Synodalen Ausschuss vorhanden ist, wird der Heilige Geist auch einen Weg aufzeigen, wie ein Synodaler Rat trotz derzeit noch bestehender Bedenken eingerichtet werden kann."

Frage: Nicht nur beim Thema Synodale Räte ist noch sehr viel in der Schwebe – auch bei vielen anderen Themen des Synodalen Wegs. Bald steht die fünfte und letzte Vollversammlung an. Wie lautet Ihr vorläufiges Fazit zu dem Prozess?

Schalk: Ich denke, dass der Synodale Weg bisher große Fortschritte in der Art und Weise gebracht hat, wie miteinander gesprochen und umgegangen wird und wie um Lösungen gerungen wird. Trotz aller Rückschläge sind wir in Deutschland aus meiner Sicht auf einem guten Weg. Das Wichtigste ist und bleibt aber, dass der Dialogfaden nicht abreißt und der Weg weitergegangen wird. Und weitergehen heißt nicht, alle Forderungen Eins zu Eins umzusetzen. Denn das Ringen um gemeinsame Lösungen bedeutet auch immer Kompromisse zu akzeptieren. Grundvoraussetzung dafür ist das ständige Bemühen von allen Seiten, zu Lösungen zu kommen und sich den Gesprächen nicht zu verschließen.

Von Matthias Altmann