Der Gastgeber der DBK-Frühjahrsvollversammlung im Interview

Timmerevers: Wir müssen aufpassen, dass wir als Kirche zusammenbleiben

Veröffentlicht am 24.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Ab Montag treffen sich die deutschen Bischöfe zu ihrer Frühjahrsvollversammlung in Dresden. Im Interview spricht Gastgeber Bischof Heinrich Timmerevers über seine Erwartungen an das Treffen, die spezifische Situation der Kirche in Ostdeutschland und unterschiedliche Erwartungen an den Synodalen Weg.

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Am Montag kommt die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zu ihrer Frühjahrsvollversammlung in Dresden zusammen. Im Mittelpunkt der Versammlung dürften die synodalen Prozesse in der Kirche stehen – der Synodale Weg der Kirche in Deutschland und der weltweite synodale Prozess. Im Interview mit katholisch.de spricht der gastgebende Bischof Heinrich Timmerevers über seine Erwartungen an die Vollversammlung, die besondere Situation der katholischen Kirche in Ostdeutschland, die Finanzsituation der ostdeutschen Diözesen und die Zukunft des geplanten Synodalen Rats, nachdem dieser jüngst vom Vatikan deutlich in Frage gestellt wurde.

Frage: Bischof Timmerevers, eigentlich sollte die Vollversammlung – passend zum damaligen 100-Jahr-Jubiläum Ihres Bistums – schon vor zwei Jahren in Dresden stattfinden. Doch wegen der Corona-Pandemie kam es nicht dazu. Freuen Sie sich, dass Ihre Mitbrüder jetzt doch noch nach Sachsen kommen?

Timmerevers: Ja, die Freude ist sehr groß – nicht nur bei mir, sondern auch bei den anderen Bischöfen, wie ich merke. Dresden ist auch aufgrund seiner geografischen Lage sonst nicht so im Fokus, deshalb ist die Vollversammlung für viele meiner Mitbrüder aus dem Westen sicher eine gute Gelegenheit, die Stadt und auch das kirchliche Leben hier einmal genauer kennenzulernen. Ich denke, das kann für alle eine Bereicherung sein.

Frage: Nach 1996, als die Bischöfe in Schmochtitz und damit ebenfalls im Bistum Dresden-Meißen zusammenkamen, findet die Vollversammlung überhaupt erst zum zweiten Mal seit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland statt. Das spricht nicht gerade für eine große Wertschätzung des kirchlichen Lebens zwischen Ostsee und Erzgebirge. Hat die Bischofskonferenz den Osten zu wenig im Blick?

Timmerevers: Das würde ich so pauschal nicht sagen. Wenn man auf die gesamte katholische Kirche in Deutschland schaut, sind die großen Bistümer im Westen nun mal stärker im Blick als die kleinen Diasporabistümer im Osten; das lässt sich gar nicht vermeiden. Hinzu kommt die aufwändige Logistik, die mit einer Vollversammlung verbunden ist. In ganz Ostdeutschland gibt es, glaube ich, kein kirchliches Tagungshaus, das groß genug wäre, um die gesamte Bischofskonferenz mit ihren fast 70 Mitgliedern zu beherbergen – auch wir haben uns für die bevorstehende Vollversammlung in ein Hotel eingemietet. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich bin froh, dass unser Bistum – und damit Ostdeutschland – in diesem Jahr wieder einmal Gastgeber der Vollversammlung sein darf, und ich hoffe, dass die Kirche hier vor Ort dadurch noch einmal anders und stärker wahrgenommen wird.

„Die katholische Kirche war in Ostdeutschland immer schon eine kleine Minderheit, das hat sie geprägt. Diese Erfahrung werden viele westdeutsche Diözesen in den kommenden Jahren erst noch machen.“

—  Zitat: Bischof Heinrich Timmerevers

Frage: Die Situation der Kirche in Ostdeutschland unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht immer noch stark von der Situation im Westen. Was können Ihre westdeutschen Mitbrüder von der Kirche im Osten lernen? Was würden Sie ihnen nach der Vollversammlung gerne mit auf den Weg geben?

Timmerevers: Dass Kirche auch kleiner geht. Mit weniger Geld, weniger Personal und flacheren Strukturen. Wir sind eine kleine, aber durchaus lebendige Kirche, die schon seit Jahrzehnten daran gewöhnt ist, mit bescheidenen Ressourcen auskommen zu müssen und ihren Platz in der Gesellschaft immer wieder neu zu suchen und zu behaupten. Die katholische Kirche war hier in Ostdeutschland immer schon eine kleine Minderheit, das hat sie geprägt. Diese Erfahrung werden viele westdeutsche Diözesen in den kommenden Jahren erst noch machen.

Frage: Sind die ostdeutschen Bistümer in dieser Hinsicht vielleicht sogar eine Art Avantgarde, weil bei ihnen längst Alltag ist, was den westdeutschen Diözesen angesichts der hohen Austrittszahlen und der erwartbaren Einbrüche bei der Kirchensteuer erst noch bevorsteht?

Timmerevers: Das weiß ich nicht. Ich denke, jede Ortskirche hat ihre eigene Dynamik und ihre eigenen Herausforderungen. Und wie Sie selbst richtigerweise gesagt haben: Die Situation der Kirche in Ostdeutschland unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Situation im Westen. Insofern wäre ich vorsichtig, aus dem kirchlichen Alltag hier vor Ort Rückschlüsse auf die Zukunft der Kirche in Westdeutschland zu ziehen. Aber noch einmal ganz grundsätzlich: Eine kleinere Kirche muss keine schlechtere Kirche sein. Wir haben im Bistum Dresden-Meißen einen kleinen, aber starken Kern engagierter Gläubiger, die der Kirche trotz aller Bedrängnisse immer treu geblieben sind. Mit diesen Gläubigen ist mir um die Zukunft der Kirche nicht bange.

Bild: ©BRIAN_KINNEY - stock.adobe.com

In der Kathedrale des Bistums Dresden-Meißen im Zentrum der sächsischen Landeshauptstadt werden die deutschen Bischöfe während ihrer Frühjahrsvollversammlung mehrere Gottesdienste zusammen feiern.

Frage: Ein großes Thema für alle Bistümer in Ostdeutschland ist das geplante Ende des sogenannten Strukturbeitrags, also der finanziellen Unterstützung durch die westdeutschen Diözesen. Nach dem derzeitigen Stand sollen die Zahlungen nach 2025 auslaufen. Sie selbst haben 2017 in einem katholisch.de-Interview gesagt: "Auf Jahre hinaus wird kein ostdeutsches Bistum dazu in der Lage sein, allein mit eigenen Mitteln allen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen." Hat sich daran etwas geändert?

Timmerevers: Grundsätzlich betrifft die Frage des Strukturbeitrags tatsächlich alle ostdeutschen Bistümer – allerdings in unterschiedlichem Maße. Vor allem bei Görlitz und Magdeburg ist erkennbar, dass sie auch über 2025 hinaus finanzielle Unterstützung brauchen, und im VDD – dem Verband der Diözesen Deutschlands – wird derzeit überlegt, wie eine solche Unterstützung aussehen kann. Wir selbst bekommen über den Strukturbeitrag in diesem Jahr noch zehn Millionen Euro. Mit Blick auf den baldigen Wegfall dieser Mittel sowie das absehbare Minus bei den Kirchensteuereinnahmen haben wir uns das Ziel gesetzt, bis zum Ende dieses Jahrzehnts insgesamt 17 Millionen Euro einzusparen. Das ist eine sehr einschneidende Maßnahme, da geht es wirklich ans Eingemachte.

Frage: Das heißt, Ihr Bistum ist nach 2025 nicht mehr auf finanzielle Unterstützung durch andere Diözesen angewiesen?

Timmerevers: Solidarität zwischen den Bistümern wird es weiter brauchen – und auch weiter geben. Die Überlegungen gehen derzeit aber in die Richtung, diese Solidarität nicht mehr nur auf den Osten zu fokussieren. Das ist auch richtig so, schließlich könnten künftig auch einzelne westdeutsche Diözesen finanziell unter Druck geraten, denn auch dort werden die Einnahmen mittelfristig deutlich zurückgehen. Deshalb ist man im VDD dabei, ein System zu entwickeln, das alle Bistümer in den Blick nimmt und im Bedarfsfall schnell finanzielle Unterstützung leisten kann. Auch wir werden in Zukunft sicher nicht völlig ohne Finanzhilfen auskommen. Gerade gemeinsame, überdiözesane Aufgaben und Projekte, die in den Haushalten reicherer westdeutscher Bistümer kaum ins Gewicht fallen, stellen für uns im Osten oftmals eine große Belastung dar. Da wünsche ich mir von meinen westdeutschen Mitbrüdern auch in Zukunft Verständnis für unsere Situation.

„Der Synodale Weg mag formal zu Ende gehen – den Weg zu einer immer synodaleren Kirche müssen und werden wir aber weitergehen.“

—  Zitat: Bischof Heinrich Timmerevers

Frage: Die Vollversammlung findet kurz vor der fünften und letzten Synodalversammlung des Synodalen Wegs statt. Wie blicken Sie auf das bevorstehende Ende des Prozesses?

Timmerevers: Der Synodale Weg mag formal zu Ende gehen – den Weg zu einer immer synodaleren Kirche müssen und werden wir aber weitergehen. Das gilt auch für die Themen, die wir beim Synodalen Weg besprochen und zu denen wir bereits Beschlüsse gefasst haben. Papier ist geduldig, deshalb müssen wir daran arbeiten, diese Beschlüsse mit Leben zu füllen. Klar ist: In Sachen Synodalität stehen wir in der katholischen Kirche noch am Anfang, wir lernen noch. Insofern wird es auf dem weiteren Weg sicher auch mal ruckeln – aber der synodale Geist ist, wenn Sie so wollen, endgültig aus der Flasche.

Frage: Der jahrelange Frust vieler Gläubiger über ausbleibende Reformen in der Kirche könnte nach dem formalen Ende des Synodalen Wegs trotzdem mindestens kurzfristig neue Nahrung bekommen, oder? Immerhin ist immer noch weitgehend unklar, ob und welche Reformideen des Prozesses in den Bistümern überhaupt umgesetzt werden.

Timmerevers: Nach meiner Wahrnehmung gibt es in unserer Kirche derzeit zwei Gruppen, die sich recht unversöhnlich gegenüberstehen. Auf der einen Seite stehen die Gläubigen, die sich Reformen in der Kirche wünschen und die Ideen und Ziele des Synodalen Wegs dementsprechend weiter vorantreiben wollen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine große Gruppe, die den Reformprozess kritisch sieht und den Weg, den die Kirche damit eingeschlagen hat, nicht mitgehen möchte. Zwischen beiden Lagern ist eine große Spannung spürbar und wir müssen sehr aufpassen, dass wir zusammenbleiben und uns nicht gegenseitig ausgrenzen oder gar das Katholischsein absprechen. Gerade als Bischof sehe ich es als meine Aufgabe an, die Einheit der Kirche zu bewahren – wobei ich hinzufügen möchte, dass Einheit eine gewisse Vielfalt natürlich nicht ausschließt.

Einzug der deutschen Bischöfe
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Archivbild)

Die jüngsten Diskussionen um den geplanten Synodalen Rat haben erneut gezeigt, wie gespalten die Bischofskonferenz mit Blick auf den Synodalen Weg und die dort diskutierten Themen ist.

Frage: Der geplante Synodale Rat zur Verstetigung des Synodalen Wegs steht nach der jüngsten Intervention aus dem Vatikan stark in Frage. Was muss passieren, damit die Idee des Rates gerettet werden kann? Wie muss das Gremium Ihrer Ansicht nach konstruiert werden, damit der Vatikan doch noch grünes Licht gibt?

Timmerevers: Diese Frage kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, weil wir noch gar nicht so weit sind. Zunächst einmal müssen wir als nächstes den Synodalen Ausschuss bilden, dessen Aufgabe es dann ja genau sein wird, den Synodalen Rat vorzubereiten und aufs Gleis zu setzen. Natürlich muss dabei die Gelbe Karte, die uns der Vatikan gezeigt hat, Beachtung finden. Allgemein gesprochen denke ich, dass es darauf ankommen wird, die Struktur und die Aufgaben des Synodalen Rats so auszugestalten, dass die Entscheidungsbefugnis der Bischöfe in ihren jeweiligen Bistümern sichergestellt bleibt. Der Synodale Rat, wie auch immer er am Ende aussieht, wird das Kirchenrecht nicht neu schreiben. Und trotzdem muss es darum gehen, dass die Synodalität auch in unseren kirchlichen Gremien und Strukturen weiter wachsen kann.

Frage: Die Intervention aus dem Vatikan hat noch einmal gezeigt, wie gespalten die Bischofskonferenz beim Synodalen Weg und den dort diskutierten Themen ist. Immerhin wurde die Intervention ja erst durch einen Brief von fünf Bischöfen initiiert. Wie bewerten Sie das Vorgehen Ihrer Mitbrüder, das im Vorfeld ja offenbar nicht transparent gemacht worden war?

Timmerevers: Es ist nicht mein Stil, einzelne Mitbrüder öffentlich anzugehen. Wenn wir im Kreis der Bischöfe Meinungsverschiedenheiten haben, sollten wir die intern austragen und nicht über die Medien. Nur so viel vielleicht: Wir haben bereits beim Ständigen Rat im Januar über den Brief aus dem Vatikan und die ihn auslösenden Fragen einiger Bischöfe diskutiert. Und Sie können sich ja sicher vorstellen, dass wir nicht alle da gesessen und Beifall geklatscht haben.

Von Steffen Zimmermann