Ukraine-Krieg: Bischof Kohlgraf schreibt Brief an Papst Franziskus
Die Rufe nach einer Waffenruhe und zum Schutz der Menschen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine finden nach Ansicht des Präsidenten der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi, Bischof Peter Kohlgraf, in der Öffentlichkeit kein Gehör mehr. "Die Eskalation dieses Krieges führt immer mehr in die Verstrickung hinein, täglich sterben hunderte Menschen, ohne dass ein Weg aus dem Krieg zu sehen ist", schreibt der Mainzer Bischof in einem am Donnerstag auf der Pax-Christi-Internetseite veröffentlichten Brief an Papst Franziskus. Der Papst solle die diplomatischen Verbindungen des Heiligen Stuhls zur Konfliktlösung nutzen. "Wir sehen Sie in der Tradition des Heiligen Franziskus von Assisi: Der Legende nach sprach Franziskus mit dem Wolf, vor dem alle Menschen Angst hatten. Möge der heilige Franziskus in seiner Liebe zum Frieden uns Mut machen, zum Frieden und zum Ende der Gewalt heute zu helfen."
Der russische Angriffskrieg stelle viele Christen vor schwierige Fragen, "ob es nicht doch gewaltvolle, kriegerische Entwicklungen gibt, die zum Schutz von Menschenleben und zur Verteidigung eines Landes des bewaffneten Widerstands bedürfen", so Kohlgraf. Auch in der katholischen Friedensbewegung gebe es darüber Debatten und "keine einfache Antwort", so Kohlgraf. "Wir ringen um unsere Haltung in dieser Frage." Es sei wichtig, "sich in der Öffentlichkeit und bei Demonstrationen gegen aufkommende Feindbilder zu wenden und gegen einen öffentlichen Diskurs einzutreten, der nur auf Waffen setzt und nur militärisch diesen Krieg beenden will", so Kohlgraf.
Unterdessen erläuterte der vatikanische Außenminister Paul Gallagher die Haltung des Papstes zum Ukraine-Krieg. In einem Interview anlässlich des Jahrestags des russischen Angriffs auf das Nachbarland sagte Gallagher am Donnerstag dem Portal "Vatican News": "Auch wenn es für die Ukraine selbst und für viele andere schwierig ist, von Dialog und Frieden, von Versöhnung zu sprechen, ist dies doch etwas, was die Kirche, der Heilige Stuhl und der Heilige Vater tun können und müssen." Weiter sagte Gallagher: "Wir verstehen, dass es vielen in dieser Zeit des Leidens schwerfällt, jetzt an Frieden zu denken, aber irgendjemand muss es tun, denn irgendwann einmal wird es ein Ende dieses schrecklichen Krieges geben, und wir hoffen, dass dieses Ende schon bald kommt."
Ökumene-Experte sieht kaum Einfluss beim Vatikan
Zu den Bemühungen des Papstes um eine Vermittlung in dem Konflikt erklärte der vatikanische Außenbeauftragte, der Heilige Stuhl signalisiere "immer eine gewisse Bereitschaft gegenüber den Akteuren, was mögliche Verhandlungen um ein Ende dieses schrecklichen Krieges betrifft. Ich glaube, das ist unsere Rolle." Es sei von grundlegender Bedeutung, angesichts der Grausamkeit des Krieges "den Traum vom Frieden präsent zu halten". Mit Blick auf die künftige internationale Rolle Moskaus sagte Gallagher, Russland sei "ein sehr wichtiges Land, ein Land mit einer langen Geschichte, und wir müssen irgendwann in der Zukunft wieder einen Frieden, eine Beziehung mit diesem Russland aufbauen.“
An die Ukrainer appellierte der aus Großbritannien stammende vatikanische Chefdiplomat, sie sollten sich den Traum von einem künftigen Frieden bewahren und jetzt schon an den Wiederaufbau des Landes denken. "Es wird in diesem Land viel wiederaufzubauen und zu versöhnen geben," sagte Gallagher. Er selbst habe bei seinem Besuch in der Ukraine im Mai 2022 die "Wahrheit des Krieges" begriffen. "Wenn man das Leid eines Volkes mit Händen fassen kann, wenn man, wie ich es in Butscha und an anderen Orten gesehen habe, die Tatsachen, die Wahrheit des Krieges, das Leid der Menschen sieht, dann kann das nur eine sehr tiefe Wirkung haben." Die Erfahrung, dort gewesen zu sein, habe ihn "zutiefst verändert, denn ich habe das Leid gesehen, aber auch den Mut der Menschen und die Komplexität der Situation".
Nach Ansicht des Ökumenikers Johannes Oeldemann hat der Vatikan kaum Einfluss auf mögliche Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. "Denn ich glaube, dass der Vatikan von keiner der beiden Seiten, die in diesen Konflikt involviert sind, als Verhandlungspartner akzeptiert würde, insbesondere nicht von russischer Seite", sagte er dem Kölner Online-Portal "domradio.de" am Donnerstag. "Der Einfluss der vatikanischen Diplomatie ist deshalb wahrscheinlich doch relativ begrenzt." Dennoch dürften Gespräche mit der russisch-orthodoxen Kirche nicht abreißen, so der Theologe. "Es ist gerade in einer Konfliktsituation wie jetzt im Krieg wichtig, dass die Ökumene nicht an den nationalen Grenzen endet", sagte Oeldemann, der Leitender Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn ist. Die russisch-orthodoxe Kirche unter Leitung von Patriarch Kyrill I. unterstützt den russischen Angriffskrieg. Der Theologe riet zugleich davon ab, Gespräche mit offiziellen Vertretern des Patriarchats zu suchen – "weil man dadurch indirekt ihre Positionierung in diesem Krieg legitimieren würde". Es gebe aus der russischen Orthodoxie jedoch auch leise Stimmen, die Kyrill I. kritisierten. Mit ihnen müsse weiterhin gesprochen werden. (tmg/KNA)