Vermehrte Zusammenarbeit mit ausländischer Justiz

Vatikan-Staatsanwalt: Es kommen delikate Herausforderungen auf uns zu

Veröffentlicht am 26.02.2023 um 10:09 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt  ‐ Die vatikanische Justiz bearbeitet immer mehr Fälle. Gerade ist ein großes Wirtschaftsstrafverfahren um Kardinal Angelo Becciu anhängig. Und auch in naher Zukunft zeichnet sich viel Arbeit ab.

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Große Herausforderungen an die Justiz des Vatikanstaats hat der neue vatikanische Generalstaatsanwalt Alessandro Diddi (58) angekündigt. Das zurückliegende Gerichtsjahr sei bereits ein besonderes gewesen, sagte Diddi, der seit einem halben Jahr im Amt ist. Er äußerte sich am Wochenende anlässlich der Eröffnung des neuen Gerichtsjahres in Anwesenheit des Papstes und des italienischen Justizministers im Vatikan.

Das vatikanische Gerichtsjahr 2022 war geprägt durch ein großes, bisher nicht abgeschlossenes Wirtschaftsstrafverfahren gegen frühere vatikanische Funktionäre im Bereich Finanzen. Prominentester Angeklagter ist die frühere Nummer zwei des vatikanischen Staatssekretariats, Kardinal Angelo Becciu. Der Staatsanwalt kündigte an, auch die künftige Arbeit werde "mit Nüchternheit und Diskretion" erledigt werden und Beeinflussungen durch Vorurteile und die Medien zu vermeiden suchen.

Ermittlungen über vatikanische Staatsgrenzen hinaus

Weiter sagte Diddi: "Neue, nicht weniger delikate Herausforderungen als die bisherigen zeichnen sich am Horizont ab." Die wachsende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mache den Akteuren der vatikanischen Justiz bewusst, wie groß die ihnen anvertraute Verantwortung sei. Sie müssten ihre Aufgaben sehr gewissenhaft und unter Beachtung der Rechte der Angeklagten erfüllen. Diddi hatte im Januar überraschend angekündigt, der Vatikan werde im Fall der 1983 spurlos verschwundenen Jugendlichen Emanuela Orlandi Ermittlungen aufnehmen.

An den italienischen Justizminister Carlo Nordio gewandt sagte Diddi, es gebe derzeit immer häufiger Ermittlungen in Dingen, die über die vatikanischen Staatsgrenzen hinausreichten. Deshalb habe seine Behörde jetzt häufig Kontakt mit ausländischen Justiz- und Polizeibehörden. Er sei für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit besonders dankbar, da es zwischen dem Vatikanstaat und der Italienischen Republik kein förmliches Rechtshilfeabkommen gebe. Dennoch seien die Beziehungen von gegenseitigem Vertrauen geprägt.

Derzeit nähmen auch aus anderen Ländern die Anfragen an seine Behörde zu, Ermittlungsergebnisse über die Grenzen hinweg zu teilen, betonte Diddi. Dies zeige, wie wertvoll die Arbeit der Staatsanwaltschaft und der Polizei in dem kleinen Staat der Vatikanstadt sei.

Franziskus: Auch gegenüber Verurteilten barmherzig sein

Papst Franziskus verteidigte das häufige juristische Vorgehen gegen Straftäter im Vatikan. "In den letzten Jahren haben die juristischen Streitfälle und Prozesse zugenommen, und auch in etlichen Fällen die Schwere der Taten, die dort verhandelt werden. Dies gilt vor allem im Bereich von Vermögen und Finanzen." Das Problem seien aber nicht die Prozesse, sondern die Verhaltensweisen und Taten, die diese Prozesse leider unvermeidlich machten.

Zugleich erinnert Franziskus daran, dass die Kirche gegenüber Verurteilten barmherzig sein müsse. Ein Urteil stelle für den Betroffenen eine "Prüfung" dar, die aber im Falle eines Fehlverhaltens notwendig sei, wenn es das Antlitz der Kirche verdunkle und unter den Gläubigen Anlass zum Skandal gebe. Am Ende brauche es eine konsequente Unterscheidung und nicht eine "kalte Schreibtisch-Moral", um die Prinzipien von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit miteinander in Einklang zu bringen. (gho/KNA)