Kirche ohne Priester? Ebner weist Vorwurf des Markionismus zurück
Der emeritierte Bonner Neutestamentler Martin Ebner hält trotz Kritik an seiner These fest, dass das Priesteramt nicht mit dem Neuen Testament zu vereinbaren ist. In einem Beitrag in der Herder-Korrespondenz (März-Ausgabe) reagiert der Exeget auf die Kritik des Jesuiten Dieter Böhler, der Ebner unter anderem vorgeworfen hatte, das Projekt eines "vom Alten Testament freien Neuen Testaments" zu verfolgen. Ebner präzisiert seine bisherigen Argumente dahingehend, dass es ihm weniger um Kultkritik als vielmehr um Institutionenkritik gehe: "Die Eucharistiefeier der Kirche kann und will vom (Sühn-)Opfer Israels nicht getrennt werden, wohl aber vom Personal, das im Tempel dafür zuständig ist", erläutert der Theologe.
Ebner betont, dass Christi Tod als Sühneopfer zur Vergebung der Sünden das einzig wirksame Opfer darstellt. Damit würde das priesterliche Tieropfer unnötig gemacht. Um das überhaupt verstehen zu können, brauche es gerade den Glauben des Alten Testaments als Hintergrund, so Ebner weiter. Ursprünglich sei es das Alleinstellungsmerkmal des Jerusalemer Tempelkults gewesen, die Sündenvergebung zu bewirken. Durch das Opfer Jesu werde diese Sündenvergebung in den Menschen hineinverlegt. Das stehe völlig im Gegensatz zur von der Kirche schon früh als Irrlehre bewerteten Position des Markion (um 85–160 n. Chr.), der das Alte Testament für Christen komplett verwerfen wollte.
Die christliche Sühnevorstellung biete Christgläubigen eine Alternative zur Jerusalemer Tempelordnung mit ihren liturgisch demonstrierten Abstufungen zwischen Hohepriester, Priestern, nicht-priesterlichen Männern, Frauen und Heiden. Das ließe sich auch in den weiteren Schriften des Neuen Testaments feststellen, wenn etwa im Galaterbrief steht, dass es in Christus "weder Jude noch Grieche, Sklave noch Freier, Mann und Frau" gibt.
Ausgangspunkt Krise des Priestertums
Für Ebner ist der Ausgangspunkt seiner im vergangenen Jahr erschienenen kontrovers diskutierten Streitschrift "Braucht die katholische Kirche Priester?" die gegenwärtige Krise des Priestertums in der westlichen Welt: "Wer verkrampft am (klassisch verstandenen) Priester als zentraler Figur in Liturgie und Leitung von Pfarreien festhält, der setzt angesichts des Priestermangels und des Glaubwürdigkeitsverlusts infolge des Missbrauchsskandals ohne Grund aufs falsche Pferd", erläutert der Exeget seine Absicht. Ebner bezweifelt nicht, dass es zur Leitung und Strukturierung von Gemeinden Ämter geben muss. Die Frage sei aber, ob sie an Bedingungen wie Lebensform oder Geschlecht oder vielmehr an Kompetenz und Ausbildung geknüpft werden sollen. "Der Blick auf die Fortschreibung des Alten Testaments im Neuen Testament eröffnet große Freiräume", zeigt sich der Neutestamentler überzeugt.
Der Theologe sieht in seinen Thesen den Einsatz für eine "reformbereite katholische Kirche, die offen darüber nachdenkt und diskutiert, ob es wirklich zu ihrem Wesenskern gehört, dass Leitung, Lehrvollmacht und Eucharistievorsitz automatisch Männern mit Zölibatsverpflichtung vorbehalten sind", so Ebner weiter. Alle Gläubigen müssten sich fragen: "Welche Interessen leiten mich, wenn ich eher die eine oder die andere Position befürworte?" Zuvor hatte der Berliner Dogmatiker Georg Essen die Position Ebners als unhistorisch bezeichnet.
Die Frage nach dem Priestertum wurde auch beim Synodalen Weg aufgeworfen. Im Oktober 2021 hat sich die Synodalversammlung dafür ausgesprochen, grundsätzlich zu klären, ob es das Priesteramt überhaupt braucht. Bei der fünften und letzten Synodalversammlung wird über die Texte des Priesterforums debattiert. Im Vorfeld äußerte der Mainzer Pastoraltheologe Philipp Müller deutliche Kritik an den Vorlagen. Innerhalb der katholischen Kirche das Priesteramt grundsätzlich zur Disposition zu stellen, sei ein spezifisch deutsches Phänomen, das durch die Erfahrungen mit evangelischen Gemeinden unterstützt werde. (fxn)