Ein Kardinal geht gegen zwölf Nonnen und ihre Äbtissin vor

Streit um abgesetzte Oberin: Rätselhafte Klosterrevolte in der Toskana

Veröffentlicht am 28.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Die Geschichte klingt wie aus der TV-Serie "Um Himmels Willen": Eine resolute Oberin legt sich mit dem Bischof an. Der versucht sie mit disziplinarischen Mitteln zur Raison zu bringen. Die Nonnen protestieren. Was genau dahintersteckt, ist unklar.

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Ein Konflikt zwischen einem Nonnenkonvent in der Toskana und den kirchlichen Aufsichtsbehörden im Bistum und im Vatikan beschäftigt die Medien. Selbst die Londoner "Times" entdeckte das Thema und schrieb über die rebellischen "toskanischen Nonnen". Am Wochenende berichteten mehrere italienische Regionalzeitungen erneut über die Ereignisse, die zu einer Absetzung der Oberin Diletta Forti durch den Vatikan geführt hatten.

Inzwischen wenden sich die Streitparteien mit langen juristischen Erklärungen an die Öffentlichkeit. Der Kern des Konflikts liegt jedoch weiter im Dunkeln. Der zuständige Bischof von Montepulciano, der aus Rom stammende Kardinal Augusto Paolo Lojudice (58), ließ seine Version der Vorgänge über einen Rechtsanwalt mitteilen; sie ist auf der Website des Bistums nachzulesen.

Anlass für Visitation unklar

Daraus geht hervor, dass es zunächst eine kirchenrechtliche Visitation (Überprüfung) des Klosters gab. Was der Anlass war, teilt das Bistum nicht mit; und was dabei herauskam, weiß das Bistum laut eigenem Bekunden ebenfalls nicht. Fest steht, was der Vatikan – in diesem Fall die Behörde für das Ordensleben – als Konsequenz aus der Visitation angeordnet hat. Dazu zählt die Absetzung der Äbtissin, Mutter Diletta, und der Aufruf an sie und die übrigen zwölf Benediktinerinnen, sich wieder an ihre Gelübde und Regeln als Klausurschwestern zu halten.

Die Schwestern reagierten mit einer Erklärung, in der sie dem Bischof die Kompetenz absprachen, Entscheidungen des Heiligen Stuhls auszulegen. Als Benediktinerinnen unterstünden sie unmittelbar dem Heiligen Stuhl; und ihnen sei bis heute kein konkreter Vorwurf gemacht worden. Sie kündigten Berufung bei den vatikanischen Stellen an und wollen kirchenrechtlich gegen die angeordneten, als Strafen empfundenen Maßnahmen vorgehen; insbesondere gegen die zwangsweise, zeitlich befristete Umsiedlung der Äbtissin in die gemischtgeschlechtliche Kommunität von Bose in Norditalien.

Worum es in der Sache geht, wird auch aus dieser Erklärung nicht wirklich deutlich. Erschwerend kommt hinzu, dass der handelnde Bischof kein verknöcherter Kirchenhierarch ist, sondern ein typischer "Franziskus-Bischof". 2020 machte der Papst ihn überraschend zum Kardinal, weil er seinen Einsatz für Migranten und für die sozial Schwachen im Süden des Erzbistums Rom schätzte, wo er zuvor Weihbischof war. Der Bischof selbst, so scheint aus der Erklärung des Bistumsanwalts durch, ist offenbar auch gar nicht die treibende Kraft hinter dem Versuch, die rebellischen Nonnen an ihre Verpflichtungen als Klausurschwestern zu erinnern.

Kloster-Oberin vom Vatikan abgesetzt – Nonnen widersetzen sich

In Sozialen Medien haben Ordensfrauen Werbung für ihr Kloster gemacht. Doch das kam nicht bei allen gut an. Durch ein vatikanisches Dekret wurde sogar die Äbtissin der Gemeinschaft abgesetzt. Doch die Klausurbenediktinerinnen wehren sich.

Auch dass es von der toskanischen Zivilgemeinde Beschwerden gegeben haben soll wegen von den Schwestern organisierter unangemeldeter Flohmärkte zum Verkauf von Kerzen und ähnlichem, reicht nicht aus, um die Eskalation zu erklären. Und die bloße Tatsache, dass sie als eine in strenger Klausur lebende Kommunität erstaunlich aktiv und professionell im Internet und in Sozialen Medien für sich werben, hätte wohl ebenfalls kaum zu einem Einschreiten des Vatikans geführt.

Offenbar kam eins zum anderen. Aber die wichtigsten Gründe für den toskanischen "Nonnen-Aufstand" dürften in der resoluten Persönlichkeit der Äbtissin, einer ehemaligen Försterin, und in der jüngeren Geschichte des Klosters zu finden sein. Der Konvent "Maria Tempel des Heiligen Geistes" in Pienza bei Siena ist eine "Ausgründung" des größeren Benediktinerinnenklosters "Santa Maria delle Rose", das bis zum Erdbeben 2016 in Sant'Angelo in Pontano in den Marken stand. Dieses Kloster sorgt seit Jahren für gewisse Aufmerksamkeit in Italien. Denn gegen den allgemeinen Trend zieht es immer wieder junge Frauen an, die sich dafür entscheiden, dort einzutreten.

Neue Wege unter Äbtissin

Nach dem Erdbeben wurde die Kommunität wegen der Beschädigungen der Abtei aufgeteilt. 13 Schwestern gingen für vier Jahre nach Aalsmeer in den Niederlanden und kehrten dann auf Einladung des damaligen Bischofs von Montepulciano nach Italien zurück. Er stellte ihnen ein malerisch gelegenes Haus für ihren Konvent zur Verfügung.

Was seither geschah, ist Gegenstand von Spekulationen. Offenbar hat der Tochterkonvent unter der Ägide seiner Äbtissin neue Wege einzuschlagen versucht, die von denen des strengen, aber erfolgreichen Mutterklosters abweichen. Dazu gehörten neben Internet-Aktivitäten auch offene Besuchsangebote, die nur schwer mit den besonderen Regeln für einen klausurierten Nonnenkonvent in Einklang zu bringen sind.

Das scheint in den anderen Klöstern der Föderation für Aufregung gesorgt zu haben, in der 15 Benediktinerinnen-Klöster der Region zusammengeschlossen sind. Die Visitation und die verhängten Maßnahmen dürften eine Folge davon gewesen zu sein. Bis auf Weiteres sind die Fronten verhärtet. Die Schwestern haben die Klosterpforten geschlossen und beten. Nun sind der Vatikan und der Bischof wieder am Zug.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)