"Keiner steht in Bayern über dem Gesetz ... auch kein Geistlicher"

Bericht über Durchsuchung im Erzbistum München – Minister meldet sich

Veröffentlicht am 28.02.2023 um 11:39 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Laut einem Zeitungsbericht haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei im Rahmen von Missbrauchs-Ermittlungen Räumlichkeiten des Erzbistums München und Freising durchsucht. Nun äußerte sich Bayerns Justizminister.

  • Teilen:

Nach Durchsuchungen in Räumlichkeiten des Erzbistums München und Freising hat Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) dem Kampf gegen Kindesmissbrauch im Freistaat "höchste Priorität" eingeräumt. Die Staatsanwaltschaften ermittelten konsequent, sobald sich Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht ergäben, erklärte Eisenreich am Montag in München. Er fügte hinzu: "Keiner steht in Bayern über dem Gesetz, kein Politiker, kein Wirtschaftsboss und auch kein Geistlicher." Im kirchlichen Bereich seien seit 2010 mehrere hundert Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren geführt worden.

Die "Süddeutsche Zeitung" (Montag) hatte berichtet, dass Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei im Rahmen von Ermittlungen im kirchlichen Missbrauchsskandal Räumlichkeiten des Erzbistums München und Freising durchsucht hätten. Die Aktion habe am 16. Februar im Ordinariat und im Erzbischöflichen Palais stattgefunden. Dabei sollen die Staatsanwälte und Kripobeamten dem Gerücht nachgegangen sein, dass es im Erzbistum einen "Giftschrank" mit heiklen Akten zu Missbrauchsfällen geben könnte.

Laut der Zeitung sollen die Ermittler nichts gefunden haben. Davon unabhängig habe das Erzbistum bisher, "soweit bekannt", die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Unterlagen immer herausgegeben, auch ohne Durchsuchung. Das Ordinariat ist die Verwaltungszentrale des Erzbistums, das Palais Amts- und Wohnsitz des Erzbischofs. Gegen den amtierenden Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, richte sich kein Verdacht der Justiz, hieß es.

In 39 Fällen gab es seit 2017 Durchsuchungen

Eisenreich sagte, Durchsuchungen dienten nicht dazu, "ein politisches Signal zu setzen, sondern Beweismittel zu finden". Wenn erforderlich, beantragten die Staatsanwaltschaften einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Dieser könne nur von einem unabhängigen Gericht erlassen werden. Die Staatsanwaltschaften ermittelten konsequent. Voraussetzung sei aber, dass sie von einer Straftat Kenntnis erlangten, erklärte der Minister: "Deshalb meine Bitte an alle Betroffenen: Erstatten Sie Anzeige!" Seinen Angaben zufolge kam es seit 2017 bei der Strafverfolgung von Missbrauchsfällen in der Kirche in Bayern in 39 Fällen zu Durchsuchungen bei Geistlichen oder Kirchenangehörigen.

Von der strafrechtlichen Verfolgung sei historische Aufarbeitung zu unterscheiden, so Eisenreich. Die katholische Kirche habe sich hier bereits auf den Weg gemacht. Mit der MHG-Studie 2018 sei ein "großer Schritt" getan worden, doch weitere Aufklärung sei nötig. Dass einige Diözesen eigene Gutachten in Auftrag gegeben hätten, sei zu begrüßen. "München hat das gemacht, Passau und Würzburg haben inzwischen auch ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die anderen Diözesen in Bayern sollten diesem Beispiel folgen."

Beobachter werten das Vorgehen in München als Beginn eines neuen Umgangs der Justiz mit Missbrauchsverdachtsfällen in der katholischen Kirche. "Das ist tatsächlich eine bemerkenswerte Aktion", sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Kurswechsel komme allerdings für viele Betroffene zu spät. Für den Vorsitzenden des Betroffenenbeirats der Münchner Erzdiözese, Richard Kick, ist es "außerordentlich, dass nach mehr als zehn Jahren des Wegschauens der bayerischen Staatsregierung endlich Bewegung in die Sache kommt". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warf der katholischen Kirche vor, Missbrauchsfälle jahrelang zu zögerlich aufgearbeitet zu haben: "Es ist definitiv alles zu spät gewesen und zu lang". (tmg/KNA)