Abendmahlsdarstellungen in der Kunst
Leonardo da Vincis "L'Ultima Cena" stellt das letzte Abendmahl Jesu und seiner Jünger dar und gilt als eines der bekanntesten Wandgemälde der westlichen Welt. Da Vinci (1452-1519) schuf das Gemälde zwischen 1494 und 1497 für das Refektorium des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie in Mailand. Von dort aus trat es seinen kulturhistorischen Siegeszug an: Nicht wenige Werke nach da Vinci orientierten sich in Aufbau oder Aussage an diesem Bild.
Um die Nachfolger zu verstehen, ist selbstverständlich erst ein Blick auf das Bild da Vincis nötig: Das Bild zeigt die Reaktionen der Jünger auf Jesu Ankündigung "Einer von euch wird mich ausliefern." (Mt 26,21) Dieses Thema ist üblich für italienische Abendmahlsdarstellungen zu da Vincis Zeit.
Besonders ist allerdings die Darstellung: Die Jünger sind nicht formelhaft oder als eine Art gemalte Heiligenbilder dargestellt, sie zeigen lebhaft ihre Emotionen und sind individuell erkennbar. Johannes, der nach kirchlicher Tradition oftmals als der "Lieblingsjünger" Jesu identifiziert wird, fällt durch eher feminine, stille Gesichtzüge und seine gefalteten Hände auf. Judas ist an einem Geldsäckchen in seiner geballten Rechten zu erkennen. Die Silberlinge hat er als Bezahlung für den Verrat an Jesus bekommen. Hinter Judas lehnt sich Simon Petrus zu Johannes, seine ganze Körperhaltung zeigt die Anspannung über die Frage nach dem Verräter.
Dass es da Vinci darum geht, Menschen authentisch darzustellen, lässt sich auch daran erkennen, dass niemand im Bild einen Heiligenschein trägt, selbst Jesus nicht. Er hebt sich durch eine besondere Beleuchtung und seinen Platz in der Mitte des Bildes hervor.
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Jacopo Tintoretto – Das letzte Abendmahl (1592-94)
Ganz anders wirkt auf den ersten Blick die Abendmahlsdarstellung des katholischen Künstlers Tintoretto, in der sich Einschläge der gegenreformatorischen Bewegung zeigen. Die Jünger sitzen wie bei da Vinci an einer Seite der langgezogenen Tafel. Geschickt setzt Tintoretto trotz der schrägen Perspektive durch eine andere Positionierung am Tisch Jesus an die gleiche Stelle im Bild wie da Vinci. Hier wird er aber mit einem großen Heiligenschein dargestellt, der die Szene um ihn geradezu erstrahlt.
Das Verhalten der Jünger am Tisch und der anderen Menschen im Bild ist ähnlich dynamisch und emotional wie bei da Vinci und wird durch die dunkle, kräftige Farbgebung sogar noch verstärkt.
Eine Variation ist hier auch der Schwerpunkt der Szene: Der Fokus früherer italienischer Abendmahlsdarstellungen liegt oftmals auf der Reaktion der Jünger auf Jesu Ankündigung des Verrats, wie in da Vincis Abendmahl. Dieses Motiv wandelte sich jedoch im Laufe der Zeit und nahm immer mehr auch wieder die Einsetzung der heiligen Kommunion und die Mahlgemeinschaft der Jünger in den Blick, wie bei Cranach. In Tintorettos Gemälde finden sich beide Motive.
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Lucas Cranach der Jüngere – (1565, St. Johannis in Dessau)
Ganz unter dem Eindruck des aufstrebenden Luthertums hat Lucas Cranach das Abendmahl dargestellt. Zwar befindet sich hier wie bei da Vinci Jesus in der Mitte der Tischgesellschaft, wieder ohne Heiligenschein – in der Mitte steht aber das Mahl selbst. Das wird schon daran erkennbar, dass das Lamm im Zentrum des Bildes steht. Der zeithistorische Zusammenhang wird weiterhin dadurch deutlich, dass die Anwesenden nicht in Gewänder zur Zeit Jesu gekleidet sind, sondern es sich um Gelehrte in der Kleidung des 16. Jahrhunderts handelt. Sie sind dargestellt mit den Gesichtern berühmter Reformatoren.
Die Anwesenden sitzen um einen halbrunden Tisch, wie es in den meisten Abendmahlsdarstellungen des ersten Jahrtausends üblich war. Judas ist durch Kleidung und Position getrennt von den anderen Anwesenden und ist wieder an seinem Geldbeutel erkennbar. Den versteckt er hinter seinem Rücken, während er von Jesus über den Tisch hinweg die Kommunion erhält.
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William Blake – Das letzte Abendmahl (1799)
Der Aufbau des Gemäldes ist völlig anders als bei da Vinci, da die Personen wie bei den Römern zur Zeit Jesu üblich auf Liegen um den Tisch herum gruppiert sind. Dabei tragen die Figuren auffälligerweise auch römische Kleidung – beides Merkmale der römischen Oberschicht, der Jesus nicht angehörte. Der Tisch und das Abendmahlsgeschehen sind hier eher nebensächlich, Jesus blickt dem Betrachter ins Gesicht und wirkt, als sei er nicht in das Bildgeschehen eingebunden. Sein Heiligenschein bildet die einzige Lichtquelle des Gemäldes, er ist wieder im Bildzentrum
Blake legt einen besonderen Fokus auf den entrückt wirkenden Jesus und die Emotionen seiner Jünger. Diese beten, sprechen miteinander oder blicken ihn fast traurig an. Auch Blake bemüht sich um eine sehr individualisierte Darstellung der einzelnen Jünger. Judas sitzt zwar wie bei da Vinci mit am Tisch, wendet sich allerdings ab und zählt das Geld, was er für den Verrat erhalten hat. Gesicht und Mimik von Johannes, der sich an Jesu Schulter anlehnt, sind denen von da Vincis Darstellung auffallend ähnlich.
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Salvador Dalí – Das Sakrament des letzten Abendmahls (1955)
Auch wenn der Aufbau der unteren Bildhälfte zunächst an die Tafel Da Vincis erinnert, ist die Stimmung des Bildes eine ganz andere. Die anwesenden Jünger sind nicht voneinander zu unterscheiden und ihre gesenkten Köpfe lassen keinen Rückschluss auf ihre Gefühle zu. Sie spielen nur in ihrer anbetenden Haltung eine Rolle.
Das gebrochene Brot und ein Glas mit Wein auf dem Tisch wirken symbolisch, es handelt sich nicht um eine Tischgesellschaft wie in den Darstellungen zuvor. Obwohl Jesus zunächst der Mittelpunkt des Gemäldes zu sein scheint, ziehen die geometrischen Linien und die Farbgebung den Blick des Betrachters auf die weite, lichterfüllte Ebene im Hintergrund. Auch wenn Dalís Darstellung wie Cranach und Tintoretto die Bedeutung des Abendmahls behandelt, hat das Bild eine besonders metaphysische Stimmung inne.
Während Dalí zu Beginn seines Schaffens die Kirche scharf kritisierte, wandte er sich später wieder dem katholischen Glauben zu und ließ sogar einige seiner Werke von Papst Pius XII. segnen. Der "Catholic Herald" zitiert ihn zu diesem Bild: "Die erste heilige Kommunion auf Erden ist konzipiert als ein heiliges Ritual größter Freude für die Menschheit."