Zweiter Tag des synodalen Finales: Den Eklat erspart?
Mit der angezogenen Handbremse des Vortags war es vorbei. Das war angesichts des Programms auch nicht anders zu erwarten: Am zweiten Tag der fünften Vollversammlung kamen die Themen mit der wohl höchsten Sprengkraft auf den Tisch: Frauen in der Kirche, Segnung für homosexuelle Paare oder Laienmitbestimmung – und damit Verzicht der Kleriker auf Macht. Die Texte zu den ersten beiden wurden beschlossen, der zum letzten wurde vertagt und in den Synodalen Ausschuss gegeben, der nach dem Ende des Synodalen Wegs gebildet werden soll. Mit dieser Entscheidung sorgte die Synodalversammlung für ein Novum während des Prozesses – und dürfte sich einen Eklat zumindest vorläufig erspart haben.
Der Handlungstext "Gemeinsam beraten und entscheiden", um den es sich konkret handelt, sieht in seiner ursprünglichen Fassung vor, eine Ordnung auf Diözesanebene und eine Musterordnung für die Pfarreien aufzusetzen, in der verbindliche Verfahren und Regeln für das gemeinsame Beraten und Entscheiden von Leitungsamt und synodalen Gremien festgehalten werden. Zentral dafür ist die freiwillige Selbstbindung von Bischöfen und Pfarrern. Bestehende Gremien könnten zu sogenannten Synodalen Räten weiterentwickelt werden.
Debatte mit Konfliktpotenzial
Dass geraden die Debatte um diesen Text Konfliktpotenzial birgt – damit konnte gerechnet werden. Schließlich ist er einer der Zankäpfel im Konflikt zwischen Rom und Deutschland. Die vierte Synodalversammlung hatte vergangenen September die Einrichtung eines Synodalen Ausschusses auf Bundesebene beschlossen, der einen bundesweiten Synodalen Rat aus Bischöfen, Priestern und Laien, vorbereiten soll. Doch dagegen hatte der Vatikan zu Jahresbeginn Einspruch erhoben. Bei der Vollversammlung der deutschen Bischöfe vergangene Woche machte der Papst-Botschafter in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, schließlich deutlich: Auch auf Diözesan- und Pfarrebene darf kein Synodaler Rat gegründet werden. Knackpunk ist das "gemeinsame Entscheiden": Rom sieht darin eine Beschneidung der bischöflichen Autorität.
In der Debatte über den Text wurde deutlich, dass er unter den Bischöfen nicht den notwendigen Rückhalt hat. Der Passauer Bischof Stefan Oster verwies etwa auf die Interventionen aus Rom. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sagte, er würde sich wohler fühlen, wenn die Ergebnisse der Weltsynode abgewartet werden würden. Einige Bischöfe empfahlen eine Übergabe in den Synodalen Ausschuss – was schließlich von der Mehrheit der Synodalversammlung so beschlossen wurde. Eine Ablehnung des Textes hätte die Laien und einige weitere Nicht-Bischöfe vermutlich auf die Barrikaden gebracht.
Nicht unbedingt geholfen haben dürfte der Debatte auch eine Intervention der Synodalpräsidenten, Bischof Georg Bätzing und ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp, wie etwa eine öffentliche Rückmeldung des Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp gezeigt hat. Nach den zähen und intensiven Debatten über die zwei Texte am Vormittag nahm Bätzing seine Mitbrüder ins Gebet: Es zeige sich, dass viele von ihnen immer noch nicht gelernt hätten, innerhalb der Spielregeln des Prozesses zu spielen. Viele würden sich nicht an dem gewöhnlichen Antragsprozess hinsichtlich Änderungen beteiligen. Und er fügte hinzu: "Es gibt auch die Möglichkeit der Enthaltung, um einen Text zu ermöglichen." Stetter-Karp war im Ton schärfer: Die Geduld der Laien mit den Bischöfen werde nicht unbegrenzt sein "Viele fühlen sich erpresst." Sie seien nicht bereit, das Spiel bis zum Ende so weiterzuspielen und forderten ein Entgegenkommen der Bischöfe.
Was Stetter-Karp meinte: Die Vorgehensweise der Bischöfe, kurzfristig auf ihrem Frühjahrs-Treffen in Dresden besprochene Änderungsvorschläge an Texten einzubringen, die sie als zu weitgehend empfanden, um sie so unter ihnen mehrheitsfähig zu machen. Viele Laien äußerten den Vorwurf, die Bischöfe wollten die Papiere verwässern und den anderen Synodalen mit ihrem Vorgehen bei den Änderungsanträgen die Pistole auf die Brust setzen. Das monierte auch Schwester Katharina Ganz. Im katholisch.de-Interview sprach sie von "bischöfliche Drohungen", dass ein Text abgelehnt würde, wenn bestimmte Themen nicht herausgenommen würden: "Hier werden die Machtverhältnisse in unserer Kirche eklatant widergespiegelt und man fühlt sich als Frau wie ein Wesen zweiter Klasse und als Handlanger für die Bischöfe."
Selbes Schema
Das Schema war bei den vorhergehenden Abstimmungen noch aufgegangen: Die Bischöfe brachten Änderungsanträge ein. Trotz Unmut in der Versammlung erhielten die Text jedoch beide erforderlichen Mehrheiten: zwei Drittel der Bischöfe und zwei Drittel der Gesamtversammlung.
Als erstes stand der Handlungstext "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" aus dem Frauenforum auf dem Programm. Darin wird auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz eine grundsätzliche Erlaubnis für qualifizierte und beauftragte Frauen und Männer gefordert, in Messen auch zu predigen. Bislang ist das in der Regel nur geweihten Geistlichen gestattet. Ursprünglich erhielt das Papier jedoch weitgehende Forderungen: So war die Rede davon, dass Nichtgeweihte künftig Taufen leiten und bei kirchlichen Trauungen assistieren können. Ebenso seien "Möglichkeiten der Wiederbelebung der Laienbeichte im Kontext der geistlichen Begleitung" sowie die Mitwirkung von Laien bei Krankensegnung und -salbung zu prüfen. Ermittelt werden sollte auch, inwieweit Nicht-Priester bei der Leitung von Pfarreien und Gemeinden hinzugezogen werden können.
Der Änderungsantrag der Bischöfe, den der Rottenburg-Stuttgarter Weihbischof Matthäus Karrer stellvertretend einbrachte, sah vor, dass diese weiterführenden Forderungen in einem Konsultationsprozess erörtert werden sollen, an dem auch die katholischen Orden und Verbände zu beteiligen sind. Der Prozess solle "zeitnah zu konkreten beschlussreifen Entscheidungen" führen. Diesen Kompromiss ging die große Mehrheit der Synodalversammlung ein.
Synodaler Weg: Segensfeiern für homosexuelle Paare ermöglichen
Der Synodale Weg will Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare möglich machen. Dazu soll eine Arbeitsgruppe eine Handreichung erarbeiten. Der Beschluss entstand nach einer emotionalen Debatte in Frankfurt.
Beim zweiten Handlungstext aus dem Frauenforum zu den "Segensfeiern von Paaren, die sich lieben", homosexuelle und wiederverheiratete Geschiedene, verhielt es sich ähnlich. Nun soll zunächst eine Arbeitsgruppe unter anderem aus Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken so bald wie möglich eine liturgische Handreichung erarbeiten, die dann jeder Bischof in seiner Diözese aufnehmen kann. Allerdings können jetzt schon Segensfeiern stattfinden. Der Beschluss ist allerdings nicht unheikel: 2021 hatte der Vatikan explizit betont, dass die Kirche keine Vollmacht habe, "Beziehungen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe einschließen" zu segnen. Offiziell stand auf der Seite der Bischöfe zwar 80 Prozent Zustimmung zum Handlungstext – diese kam allerdings nur zustande, weil laut Satzung Enthaltungen nicht als fehlende Zustimmung gewertet, sondern gar nicht gezählt werden.
Weit weniger Probleme machten am zweiten Tag andere Texte: Ein Papier, dass sich mit Maßnahmen gegen den Missbrauch von Frauen beschäftigt, erhielt in erster Lesung eine Zustimmung von 100 Prozent. Zum Beschluss wurde er dem Verfahren gemäß an den Synodalen Ausschuss übergeben. Final verabschiedet wurde ein Handlungstext über eine strengere Vorgehensweise im Umgang mit Priestern, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben. Auch hier lag die Zustimmungsrate bei 100 Prozent.
Erleichterung über Entscheidung
Nachdem schließlich beschlossen worden war, den Handlungstext "Gemeinsam beraten und entscheiden" zu vertagen, herrschte bei vielen Synodalen so etwas wie Erleichterung. "Aufgeschoben ist besser als durchgefallen" – "Das war knapp" – "Ich habe mitgerechnet", lauteten einige Stimmen. "Die Diskussion zeigte, dass wir die Sache besser verschieben", resümierte die Forumsvorsitzende Claudia Lücking-Michel katholisch.de. Es habe während der Debatte viele gute Anregungen für das Papier gegeben. "Wir werden eine gute Sache nun besser machen." Vor allem sei es jetzt an der Zeit, dass die Bischöfe sich klar darüber würden, worin ihre Macht bestehe und was Selbstbindung bedeute. Diese Fragen gelte es nun zu klären. Zudem müsse den Bischöfen deutlich werden, dass die Laien ihnen mit der Selbstbindung weit entgegengekommen seien.
Das Plenum hat sich entschieden, am letzten Tag des Treffens mit den Beratungen eine Stunde früher zu beginnen, um eventuell noch einen weiteren Text bearbeiten zu können. Schon jetzt zeichnet sich aber ab: Die fünfte Synodalversammlung dürfte ihren ambitionierten Zeitplan mit insgesamt zehn Texten nicht schaffen. Es werden weitere Papiere in den Synodalen Ausschuss gegeben werden müssen, über dessen endgültige Zusammensetzung ebenfalls am Samstag abgestimmt werden soll – ein Gremium, das der Vatikan ebenfalls skeptisch betrachtet, aber anscheinend akzeptiert. Doch bei einem ist man sich wohl weitgehend einig: Der Synodale Weg soll auch nach diesem Wochenende weitergehen.