So geht es nach der Entscheidung des Synodalen Wegs weiter

Mock: Segnung homosexueller Paare bedeutet Einheit in Vielheit

Veröffentlicht am 11.03.2023 um 11:45 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Der Synodale Weg hat sich für umfassende Segensfeiern entschieden. Die Vorsitzende des Forums "Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft", Birgit Mock, erläutert im katholisch.de-Interview, wie es nun weitergehen soll und warum die Entscheidung keine Loslösung von der Weltkirche ist.

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Der Synodale Weg hat sich für umfassende Segensfeiern entschieden. Das verabschiedete Papier ist eine etwas abgeschwächte Form des ursprünglichen Textes, indem nun zunächst eine Arbeitsgruppe mit unter anderem der Deutschen Bischofskonferenz und dem Laien-Dachverband ZdK eine liturgische Handreichung erarbeiten soll. Die Vorsitzende des Forums Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft, Birgit Mock, erläutert im katholisch.de-Interview wie es nun weitergehen soll und warum die Entscheidung des Synodalen Weges keine Loslösung von der Weltkirche ist.

Frage: Frau Mock, der Text zur Segnung von Paaren, die sich lieben, wurde angenommen. Wie fühlen Sie sich?

Mock: Es ist wirklich ein toller Moment für den Synodalen Weg und das sage ich auch im Namen von Bischof Helmut Dieser und allen Mitgliedern unseres Forums. Und vor allem auch für die vielen Menschen, die so lange darauf gewartet haben. Wir haben jetzt einen Beschluss, dass wir in Deutschland Segensfeiern in offenen Kirchen feiern, mit hoher Mehrheit verabschiedet. Das ist einfach grandios!

Frage: Was ist Ihnen in der Debatte der Synodalversammlung positiv in Erinnerung geblieben und was Ihnen aufgestoßen?

Mock: Ich fand die Debatte sehr gut. Sie war sehr konstruktiv, sehr ehrlich und sehr überlegt. Das ist das, was wir in den letzten Jahren erprobt haben, dass wir wirklich offen miteinander umgehen. Es haben sehr viele für das Anliegen gesprochen, einige wenige auch dagegen. Das respektiere ich, auch wenn ich einige Einschätzungen nicht teile. Aber ich begrüße es, dass die Einwände in unserer Debatte offen gesagt wurden. Wir haben heute auch Berichte derer gehört, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, die allen Paaren zukünftig wünschen, dass sie in Zukunft bei der Anfrage zu einem Segen auf offene Türen stoßen, gerade weil sie selbst es anders erlebt haben, bzw. sich einer möglichen Ablehnung auch nicht aussetzen wollten. Einige Stimmen haben davon berichtet, was sie selbst im Prozess des synodalen Wege durch Zuhören gelernt haben und wie sich dadurch auch ihre eigene Einschätzung und Bewertung verändert hat. Ich finde auch das ein Zeichen von Synodalität.

Frage: Neun Bischöfe haben mit Nein gestimmt, elf haben sich enthalten. Sie haben eben von Veränderungen gesprochen. Wie schätzen Sie jetzt die Lage ein? Wird es nun flächendeckend in Deutschland Segnungen geben?

Mock: Wir werden jetzt eine Handreichung für alle Bistümer erstellen. Das wird sehr zeitnah passieren. Wir haben dazu schon viele und sehr gute Vorüberlegungen. Und dann werden die Bischöfe, so wie das im Kirchenrecht vorgesehen ist, für ihre Bistümer diese Vorlage in die Praxis überführen. Das wird in einigen Bistümern, glaube ich, ganz schnell passieren. Andernorts wird das vielleicht noch dauern, aber auch das ist Teil unserer Realität. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Ungleichzeitigkeit ernst nehmen. Aber diese Ungleichzeitigkeit muss so gelebt werden, dass sie die, die eine Veränderung erproben wollen, nicht blockiert. Die Bistümer, die jetzt zeitnah Segensfeiern in offenen Kirchen feiern wollen, können das nun tun. Andere werden mit ihrer Geschwindigkeit nachkommen. Alles Weitere wird sich in der die Praxis zeigen.

Eine große Regenbogenfahne und ein Kreuz
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Eine große Regenbogenfahne hängt vor dem Hauptportal mit Kreuz der Kirche Sankt Theodor in Köln am 29. März 2021.

Frage: Haben Sie vielleicht eine Forderung an die, die es direkt umsetzen? Oder an die, die Probleme damit haben?

Mock: Mein Wunsch ist, dass wir jetzt sehr schnell ins Handeln kommen. Dass wir wirklich zeitnah in der Arbeitsgruppe die Handreichung erstellen, dass wir sehr zeitnah in den Bistümern das, was schon längst passiert, aus der Grauzone holen. In jedem der deutschen Bistümer gibt es ja schon längst Segnungen. Ab heute können wir das mit Rückendeckung der Bischöfe tun. Eine Mehrheit von ihnen hat heute gesagt: 'Wir stehen hinter den Feiern und sind den Seelsorgerinnen und Seelsorgern dankbar, dass sie diese Aufgabe wahrnehmen.'

Frage: Das klingt alles nach einem einfachen Verwaltungsakt.

Mock: Ich kann mir gut vorstellen, dass Bischöfe auch selbst segnen werden.

Frage: Beim ersten Text des Tages, "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" gab es Kritik, dass der Text durch die Änderungen zu verwässert sei. Wie bewerten Sie den Redaktionsvorgang für ihren Text?

Mock: Ich finde, dass unser Text in seiner Substanz heute bestätigt worden ist. Die Synodalen und die Mehrheit der deutschen Bischöfe haben nicht nur gesagt: 'Wir sprechen uns für Segensfeiern aus', sondern auch: 'Wir führen diese Segensfeiern zeitnah ein'. Dass die Vorbereitung für die Praxis heute modifiziert angenommen worden ist, können wir gut annehmen. Wir werden jetzt mit einer Gruppe arbeiten unter Beteiligung der Bischöfe. Das ist sinnvoll und damit können wir gut weitergehen.

Frage: Der Bischof von Antwerpen, Johan Bonny, der hier als Gast ist, hat in der Debatte ein ausführliches Statement zu der Handreichung zu den Segensfeiern in Belgien abgegeben. Wie bewerten Sie das? Vielleicht auch mit Blick auf die deutschen Bischöfe, die den Segensfeiern skeptisch gegenüberstehen?

Mock: Ich glaube, dass Der Beitrag von Bischof Bonny ein wichtiger Rückenwind für uns war. Er hat deutlich gemacht, dass wir in Deutschland nicht die Einzigen sind, die mit diesen Fragen zu tun haben. Die flämischen Bischöfe haben schon längst ein Papier, mit dem sie ja auch nach Rom gefahren sind. Dass auch ihre französischsprachigen Kollegen das jetzt einzeln umsetzen, stärkt uns. Auch der Bischof von Lüttich hat das Papier auf seiner Homepage stehen. Viele Fragen sind in Ländern wie Belgien, Luxemburg, der Schweiz und Österreich ähnlich wie in Deutschland. Und sich hier gegenseitig zu bestärken, und Papiere auszutauschen, also sich zuzurufen: Schaut, womit wir schon gute Erfahrungen gemacht haben'. Das wäre dann eine gemeinschaftliche Weiterarbeit mit Beispielen „gelingender Praxis“.  Daran können wir anknüpfen.

Frage: Wir hatten eben auch eine Stimme aus Nigeria gehört, die die Einheit der Kirche anmahnte. Wie schätzen Sie die heutige Entscheidung mit Blick auf die weltkirchliche Lage ein?

Mock: Es gibt sehr viele Stimmen, die uns heute ermutigt haben, unsere Erfahrungen aus Deutschland in die Weltkirche hineinzutragen. Auch Papst Franziskus hat uns dazu ja ermutigt. In "Amoris laetitia" ruft er dazu auf, dass die Kirche die Anliegen ihrer Gläubigen "inkulturieren" müsse. Er nimmt uns alle in die Verantwortung, uns als Kirche vor Ort sich mit den Anliegen der eigenen Regionen und ihrer Zeit zu beschäftigen. Wir würden dieser Verantwortung nicht gerecht werden, wenn wir in Deutschland auf die Anfrage von Segensfeiern nicht reagieren würden. Gleichzeitig sind die Personen in Nigeria ihrerseits gefordert, die Fragen ihrer Region zu benennen. Für uns sind Segnungen ein Thema. Und damit leben wir trotzdem und gerade deshalb Weltkirche in Ungleichzeitigkeit.

Frage: Also ist das heutige Ja zu Segnungsfeiern kein Auflehnen gegen die römische Doktrin?

Mock: Nein, es ist ein Verständnis von Weltkirche, das wir immer schon hatten. Wenn ich Nicolaus Cusanus zitieren darf, der von 1401 bis 1464 lebte. Dieser große Theologe und Mathematiker hat die Idee einer "Einheit in Vielheit" geprägt. Das war schon in seiner Zeit ein Thema und ist es noch heute. Damit müssen wir leben lernen – und wir dürfen das auch leben.

Von Benedikt Heider