Es braucht wohl noch Zeit, bis die Kirche wirklich synodal wird
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Wie regiert Papst Franziskus? Einerseits will er dezentralisieren, andererseits zentralisiert er einiges. Einerseits will er die Kirche ganz synodal machen, mit viel Gespräch und Beratung, viel Hören und Fließen lassen, andererseits kann er recht brüsk durchregieren, etwa bei Personalentscheidungen, bei der Abschaffung der alten Messe, bei klerikalen Privilegien. "Strukturelle" Probleme lässt er hingegen liegen, entscheidet sie nicht: Ist er nicht sensibel dafür? Ist es Sorge um die Einheit? Damit frustriert er nicht nur deutsche Katholiken – deren liebstes Kind ja diese Fragen sind –, sondern auch große Teile der Weltkirche. Klingt alles ziemlich widersprüchlich.
Dieser Regierungsstil ist allerdings ziemlich jesuitisch: Man berät lange, hört gut zu, lässt die Geister wirken und "unterscheidet" sie, lässt "die Suppe lange auf kleiner Flamme köcheln". Am Ende entscheidet einer, der Chef, und zwar top-down. Von Mitarbeitern erwartet er Verfügbarkeit und entscheidet über sie auch mal hart und schnell. In den mehr aufgeklärten und emanzipierten, ja demokratischen Kulturen und Regionen der Welt versteht man diesen Stil nicht: Dies sei autoritärer Machtgebrauch, und angesichts der drängenden Probleme will man effektiver und vor allem partizipativer entscheiden.
Im Grunde geht es um die Frage, was "synodal" bedeutet: Sind synodale Gremien, in denen alle partizipieren, beratende Organe – oder entscheiden sie? Für die Weltkirche hat Papst Franziskus hier eine klare Option getroffen. In Deutschland – und in manchen Teilen der Welt – will man aus guten Gründen anderes.
Nun ist der alte Jesuit auf dem Papstthron nicht mehr zu ändern. Und er hat ja in der Tat sehr vieles bewegt und verändert, mehr im Stil als in der Lehre oder in den Strukturen, aber dies ist epochal – und wird nicht mehr zurückzudrehen sein. Wir sollten ihm danken dafür! Aber vielleicht braucht es noch Zeit, bis die Kirche wirklich synodal wird. Das könnte bedeuten, dass sie einerseits die Geduld aufbringt, lange auf den Geist zu hören, und andererseits den Mut entwickelt, alle an Entscheidungen zu beteiligen. Das ist dann weniger jesuitisch; aber was für einen Männerorden taugt, ist ja nicht der Maßstab für die Weltkirche.
Der Autor
Pater Stefan Kiechle SJ ist seit 2018 Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Zuvor leitete er sieben Jahre die Deutsche Provinz des Jesuitenordens.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.