Nach Debatte über Straßennamen mit antisemitischen Bezügen

Umbenennung von Berliner Straßen beginnt: Pacelliallee bleibt, aber...

Veröffentlicht am 30.03.2023 um 11:04 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen wird seit längerem eine Debatte geführt. Nun beginnt die Stadt Berlin mit Umbenennungen und Kontextualisierungen. Dabei geht es auch um die nach Papst Pius XII. benannte Pacelliallee.

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Gut ein Jahr nach der Veröffentlichung einer Studie zu Berliner Straßennamen mit antisemitischen Bezügen laufen in den Bezirken Prozesse zu Umbenennungen und Kontextualisierungen an. Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn bilanzierte am Mittwoch, dass zwei Umbenennungen bereits erfolgt seien, zwei weitere seien beschlossen. Darüber hinaus liefen diverse Prüfverfahren und Debatten. Zuständig für Umbenennungen sind die Bezirke.

Ebenfalls beschlossen ist die Errichtung eines Geschichtslehrpfads an der Pacelliallee in Steglitz-Zehlendorf. Er befasst sich mit Eugenio Pacelli, von 1920 bis 1929 Nuntius im Deutschen Reich, und seiner Rolle als Papst Pius XII. während der NS-Zeit. Schon 2020 hatten der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sowie eine Petition die Umbenennung der Pacelliallee gefordert. Die Apostolische Nuntiatur sprach sich dagegen für eine Beibehaltung des Straßennamens aus und sah eine "Kampagne" gegen den früheren Papst.

Salzborn berichtete weiter, dass er auch in einem konstruktiven Austausch mit dem evangelischen Berliner Bischof Christian Stäblein über den Reformator Martin Luther und dessen Antijudaismus stehe. Er freue sich, dass sich der Bischof für erklärende Kontextualisierungen bei Luther-Straßen ausgesprochen habe. "Luther ist ein großer Problemfall aus meiner Sicht als Antisemitismus-Forscher", so Salzborn.

Studie listet 290 Straßen- und Platznamen auf

Eine im Dezember 2021 veröffentlichte Studie im Auftrag Salzborns listet 290 Straßen- und Platznamen in der Hauptstadt auf, bei denen sich antisemitische Bezüge feststellen ließen, darunter die Martin-Luther-Straße, die Richard-Wagner-Straße oder der Kaiserdamm. Das Gutachten empfiehlt in etwa 40 Fällen eine Umbenennung. Die Studie hatte eine intensive, teils kontroverse Debatte über das Thema ausgelöst. Salzborn zeigte sich darüber erfreut.

Umbenannt wurden in den vergangenen Monaten in Spandau der Elkartweg, Namensgeber ist Karl Elkart (1880-1959), in Erna-Koschwitz-Weg sowie in Zehlendorf der nach dem Freicorpsführer Georg Ludwig Rudolf Maercker (1865-1924) benannte Maerckerweg in Maria Rimkus-Weg, eine "Gerechte unter den Völkern". Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow hat zudem die Umbenennung der Robert-Rössle-Straße sowie der Treitschke-Straße beschlossen. Eine Umbenennung der nach dem Historiker und Publizisten Heinrich von Treitschke (1834-1896) benannten Straße wird seit Jahrzehnten diskutiert.

Die Berliner Regionalmuseen planen ein umfangreiches Projekt, um die Debatte auch historisch aufzuarbeiten, wie die Leiterin des Stadtgeschichtlichen Museums, Urte Evert, ankündigte. Umbenennungen seien schon immer Themen in der Stadtgeschichte gewesen. Große Wellen habe es unter anderem ab 1933 sowie nach 1990 gegeben. Um die Problematik bestimmter Straßennamen zu erklären, wurde zudem der digitale Stadtführer "Berlin History App" entsprechend angepasst. (tmg/KNA)