Standpunkt

Gründonnerstag: Klage braucht Raum!

Veröffentlicht am 06.04.2023 um 00:01 Uhr – Von Valerie Mitwali – Lesedauer: 

Bonn ‐ Trauer und Angst gehören zum Menschsein dazu, auch wenn sie in der Gesellschaft gern weggedrückt würden, meint Valerie Mitwali. Das bevorstehende Triduum Sacrum biete einen Raum für alles Schmerzliche – als Gegengewicht zu nur scheinbar positiven Plattitüden.

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Leitet sich der Name Gründonnerstag von dem mittelhochdeutschen Verb "grînen" (weinen) ab? Das ist nicht sicher. Immerhin bei dem Begriff Karwoche wissen wir, dass er von dem althochdeutschen Wort "kara" (Trauer, Klage, Sorge) abstammt. Allerdings: Beseelt von dem Optimismus ihrer Zeit verdrängte die Liturgiereform 1969 die Bezeichnung durch Heilige Woche, sodass die Karwoche heute nur noch als deren Ergänzung an zweiter Stelle im Messbuch überdauert hat. Der Titelwechsel war programmatisch: Von nun an sollten die Lesungstexte stärker die Auferstehung im Blick behalten.

Unsere evangelischen Schwesterkirchen haben in ihren Gottesdienstordnungen sowohl an dem Begriff der Karwoche als auch dem Leidensgedächtnis stärker festgehalten – und damit eine weise Entscheidung getroffen. Denn in den letzten Jahrzehnten hat die gesellschaftliche Tabuisierung von Leid immer weiter zugenommen. Wer etwa einen geliebten Menschen verloren hat, weiß um die Sprachlosigkeit in unserem Land. In ihrem Schmerz müssen diese Betroffenen oft noch zusätzlich Unverständnis und Vereinsamung ertragen.

"Bleib positiv!", "Schau auf die guten Seiten" und überhaupt: "Anderen geht es viel schlechter!" Dass solche Plattitüden in schweren Lebensphasen nicht helfen, sondern sogar schädlich sein können, wird mittlerweile in einigen Blasen der Sozialen Medien unter dem Begriff "Toxic Positivity" (giftige Positivität) diskutiert. Diese zarte Entwicklung aufzugreifen, wäre kein blindes Nachlaufen des nächsten Trends, sondern ein echtes Heimspiel: Der geistliche Schatz christlicher Tradition hat mehr zu bieten als den "lieben Gott im sonnigen Himmel" und "Jesus, den netten Freund".

Trauer und Angst gehören zum Menschsein dazu – und damit auch zum Glauben, stellte bereits das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Pastoralkonstitution Gaudium et Spes fest. Die jüdische Tradition hat aus der Klage gar eine eigene Psalmengattung entwickelt. Das am Abend des Gründonnerstags beginnende Triduum Sacrum (Heilige Drei Tage) kann einen liturgischen Raum für all das Schmerzliche eröffnen, was sonst oft weggedrückt wird.

Von Valerie Mitwali

Die Autorin

Valerie Mitwali ist Redaktionsmitarbeiterin bei katholisch.de und promoviert an der Ruhr-Universität Bochum in systematischer Theologie.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.