Was man christlich-fundamentalistischen Strömungen entgegensetzen kann
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"Evangelikale – Mit Gott an die Macht", so lautet der Titel einer Dokumentation, die in der Karwoche bei Arte zu sehen war. Sie ist bis Juni in der Mediathek aufrufbar. Aktuell bezeichnen sich 660 Millionen Christen als evangelikal und die Zahl wächst stetig. In ein paar Jahren wird jeder zehnte Mensch dieser Bewegung angehören, die zurückgeht auf Billy Graham und die sich seit knapp 80 Jahren als Massenbewegung über verschiedene Kontinente ausgebreitet hat. Grundprinzipien sind die individuelle Bekehrung, die Unfehlbarkeit der Bibel, der Sühnetod Jesu und der missionarische Eifer. Wer noch meint, bei spirituellem Missbrauch gehe es nur um tragische Einzelfälle, dem wird durch die Dokumentation die auch politische Brisanz einer fundamentalistischen, rechtsgerichteten "Evangelisierung" vorgestellt. Die Anhänger bestreiten unter anderem die Evolutionstheorie, die Existenz des Klimawandels und sie lehnen alle Weltanschauungen und Lebensformen vehement ab, die nicht dem entsprechen, was sie in ihrem engen Bibelverständnis als jüdisch-christliche Kultur definieren. Die Ultrakonservativen unter ihnen werden immer mächtiger und haben großen Einfluss darauf genommen, dass Präsidenten wie Trump und Bolsonaro an die Macht gekommen sind.
Die Gefahr der Zunahme fundamentalistischer Religiosität besteht auch bei uns, im Bereich der katholischen Kirche. Diese, wie auch die Gefahr einer unguten Verquickung religiöser Strömungen mit Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus, sollte nicht unterschätzt werden. Gut wäre, es gäbe eine Allianz der Vernünftigen, unabhängig von Weltanschauung, Religion oder Konfession. Maßstab allen Denkens, Entscheidens und Handelns sollten die Menschenrechte sein.
Wie könnte der christliche Beitrag aussehen? Über die Ostertage waren Ansätze erkennbar. Schlichte Rituale und eher fragende Texte lösten positive Resonanz aus, mehr oft, als eine österliche Verkündigung im "Sieger- und Souveränitätsstil". Diese Entwicklung greift Christian Kern in seinem Artikel "Ostern otherwise" auf, der am Ostermontag von der Redaktion "y-nachten" veröffentlicht wurde. Facettenreich und vielschichtig nahm die Botschaft von Ostern ihren Anfang: Kern spricht von "wuseliger Interaktion" der Akteure, von Brüchen, vom Ahnen und der Unmöglichkeit des Festhaltens von Erfahrungen. Ostern kann und soll uns anregen, so empfiehlt er, Spuren eines unendlich anderen Gottes des Lebens immer neu zu suchen. Christliche Vergemeinschaftung aus dieser Haltung heraus würde anders aussehen, als sie sich durch evangelikale Missionierung oder auch im machtverstrickten System der römisch-katholischen Kirche darstellt.
Die Autorin
Regina Nagel ist Vorsitzende des Gemeindereferent*innen-Bundesverbands und verantwortliche Redakteurin der Verbandszeitschrift "das magazin".
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.