Standpunkt

Benedikt XVI. braucht zur Würdigung keine Heiligsprechung

Veröffentlicht am 13.04.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Frage, ob der ehemalige Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen werden soll, erhitzt die Gemüter. Christoph Paul Hartmann plädiert dafür, mit der Ehre der Altäre vorsichtig zu sein: Es sei besser, Menschen in ihrer Vielschichtigkeit wahrzunehmen.

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Soll er oder soll er nicht? Schon fast mit dem Moment seines Todes kam die Frage auf, ob man den ehemaligen Papst Benedikt XVI. heiligsprechen soll – bei seinem Vorgänger hatte es dafür schon Sprechchöre auf dem Petersplatz gegeben. Doch die Welt blickt kritischer auf Päpste als früher, Versagen und Fehler werden nicht mehr so leichtfertig unter den Teppich gekehrt. Bei Benedikt XVI. stellt nicht zuletzt der Traunsteiner Prozess sehr deutlich Fragen nach Versagen und Vertuschen – sollte man einen solchen Menschen heiligsprechen?

Die Frage sollte meiner Ansicht nach eine andere sein: Warum überhaupt immer gleich heiligsprechen? Die Kirche hängt die Bedeutung von Heiligen relativ hoch: "In ihnen redet er [Gott] selbst zu uns, gibt er uns ein Zeichen seines Reiches." (LG 50) Das macht es schwer, Menschen in ihrer Ambivalenz wahrzunehmen. Das gilt insbesondere, wenn sie zu Lebzeiten Entscheidungspositionen innehatten. Die Ordensfrau, die sich ihr Leben lang ohne Leitungsamt nur um Bedürftige gekümmert hat, kam ganz einfach nicht in die Situation, politisch heikle Entscheidungen oder Personalbesetzungen zu fällen. Bei Bischöfen oder gar einem Papst ist das ganz anders.

Das gilt auch für Benedikt XVI.: Die einen loben ihn als großen Theologen, die anderen kritisieren ihn als rückwärtsgewandt und überfordert. Beide Seiten gehören zu ihm, sie ergeben nur zusammen ein vollständiges Bild seiner Persönlichkeit und seines Wirkens. Diese Ambivalenz passt nicht so recht zum Bild der Kirche von Heiligen.

Hilfreicher ist es, Menschen wie Benedikt XVI. in ihrer ganzen Zerrissenheit, ihrer Polarisierung und Vielschichtigkeit wahrzunehmen, ohne das glattbügeln zu wollen. Man kann die theologische Tiefe gern würdigen, muss die falschen Entscheidungen beim Thema Missbrauch aber nicht negieren. Es wäre der Weg zu einem ehrlicheren Umgang der Kirche mit den Menschen, die sie geprägt haben.

Von Christoph Paul Hartmann

Der Autor

Christoph Paul Hartmann ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.