Berlin: Gemeinsamer Missbrauch durch Priester und Ordensfrauen
Sexuelle Gewalt an Kindern hatte im Erzbistum Berlin offenbar größere Dimensionen als bisher vermutet. Wie das Erzbistum am Freitag in einer Pressemitteilung erklärte, geht es davon aus, "dass in den 1960er-Jahren Priester und Ordensschwestern in Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf gemeinsam sexuellen Missbrauch an Kindern planten und durchführten und ein Zusammenhang zwischen bereits veröffentlichten Fällen besteht". Dies hätten Aussagen von Betroffenen ergeben. Die Beschuldigungen wurden nach Angaben des Erzbistums auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft und der zuständigen Staatsanwaltschaft gemeldet. Wie viele Kinder und Jugendliche insgesamt betroffen waren, sei noch nicht absehbar.
Bisher seien sechs beschuldigte Priester und sechs Ordensschwestern identifiziert worden, so das Erzbistum. Sie seien überwiegend bereits verstorben. Zwei noch lebende, hochbetagte Beschuldigte wurden oder werden laut Erzbistum mit den Vorwürfen konfrontiert. "Die Beschuldigten kannten sich untereinander und vernetzten sich", heißt es in der Mitteilung. Beteiligt gewesen seien neben Priestern des Erzbistums Berlin auch Ordensfrauen der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau und der Schwestern von der heiligen Elisabeth (graue Schwestern). Sie seien gegenüber den Kindern als Gruppe aufgetreten.
Neue Erkenntnisse nach Gutachten
Die neuen Erkenntnisse ergaben sich nach Aussage des Erzbistums, nachdem das Gutachten über Missbrauch durch Priester, Diakone und Ordensmänner auf dem Gebiet des Erzbistums seit 1945 vor zwei Jahren veröffentlicht worden war. Die in kirchlichem Auftrag verfasste Studie der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs führt die Fälle von 61 beschuldigten Geistlichen auf. Sie ist mit teilweise geschwärzten Angaben auf der Homepage des Erzbistums abrufbar.
Nach dessen Angaben wurde durch Veranstaltungen in Pfarrgemeinden und Aussagen Betroffener ein Zusammenhang zwischen den Gutachtenfällen 21, 26 und 27 erkennbar. Darin berichten Betroffene von sexueller Gewalt durch Priester, die als Gemeindepfarrer und Religionslehrer tätig waren, sowie von körperlichen Misshandlungen durch Ordensschwestern. Nach Einschätzung der Gutachter wurden die teilweise damals schon bekannt gewordenen Beschuldigungen von den kirchlichen Personalverantwortlichen zumeist nicht überprüft und Vergehen nicht angemessen geahndet.
Das Erzbistum ruft weitere Betroffene sowie Zeugen für planvollen Missbrauch auf, sich bei Ansprechpersonen für sexuellen Missbrauch oder bei der Interventionsbeauftragten des Erzbistums zu melden. Zudem halten Erzbischof Heiner Koch und der Generalvikar des Erzbistums, Pater Manfred Kollig, am 3. Mai ab 18 Uhr erneut eine digitale Sprechstunde zum Thema sexualisierte Gewalt sowie zu deren Aufarbeitung und Vorbeugung. Dazu ist eine Anmeldung erforderlich. (KNA)
21.4., 15:25 Uhr: Ergänzt um weitere Details.