Charles III. – Krönung oder Weihe? Ein Blick auf die Liturgie
"Defensor Fidei" steht auf einem der drei Schwerter, die der englische König im Rahmen seiner Krönungszeremonie überreicht bekommt. Der lateinische Ausdruck bedeutet übersetzt "Verteidiger des Glaubens". Seit mehr als 500 Jahren tragen englische Monarchen diesen Titel. Papst Leo X. (1513-1521) verlieh ihn dem damaligen König Heinrich VIII. für dessen wortreiche Verteidigung des katholischen Glaubens gegenüber Martin Luther. Obwohl Heinrich VIII. mit der römischen Kirche brach, behielten die Engländer den Titel und bezogen ihn fortan auf den protestantischen Glauben.
Das Schwert symbolisiert die Pflicht des Monarchen, die religiösen Prinzipien und Traditionen der Church of England zu schützen und aufrechtzuerhalten und unterstreicht das Engagement des Souveräns für das spirituelle Wohlergehen der Nation. Die ganze Krönungsliturgie reflektiert die religiöse Bedeutung des britischen Monarchen. Schon mehrmals hatte Charles angekündigt, dafür einzustehen, dass auch andere Bekenntnisse als das anglikanische geschützt seien. Religionsfreiheit auch für Nichtchristen sei ihm wichtig – so ändern sich die Traditionen.
"Beschützer des Glaubens" für alle Religionen
In der Vergangenheit bezogen die englischen Monarchen die "Verteidigung des Glaubens" nämlich fast ausschließlich auf die Church of England. Doch in der langen Regierungszeit Elizabeths II., besonders nach dem Jahr 2000, hat sich diese Sicht geändert. Ihr Sohn und Thronfolger Charles, nun König, hatte noch als Prince of Wales erklärt, bei seiner eigenen Krönung zum König eine multikulturelle Feier anzustreben. Später präzisierte er seine Aussage: Seine Aufgabe als "Beschützer des Glaubens" verstehe er ausdrücklich mit Blick auf alle Religionen im Königreich.
Und so nehmen an der Prozession nach Westminster Abbey auch Vertreter von jüdischen, sunnitischen und schiitischen, Sikh, buddhistischen, hinduistischen, jainistischen, Bahá'í- und zoroastrischen Gemeinschaften teil. Der britische Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis kann an der Krönung nur deshalb teilnehmen, weil er am Vorabend beim König in Clarence House übernachten darf und so zu Fuß Westminster Abbey erreicht. Sonst müsste er die Sabbat-Gebote verletzen.
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Ebenfalls aus Rücksicht auf Sabbatregeln sollen die Glückwünsche der nicht-christlichen Religionsgemeinschaften am Ende der Krönungsliturgie nicht über Mikrofone verstärkt werden, denn nach jüdischem Gesetz darf am Sabbat, der an den Ruhetag Gottes nach vollbrachtem Schöpfungswerk erinnert, nichts Neues geschaffen werden – das schließt seit jeher Feuer – und seit Erfindung der Elektrizität auch Strom und technische Geräte ein.
Der Hindu und britische Premierminister Rishi Sunak wird die erste Lesung der Liturgie vortragen. Und auch bei der Übergabe der Herrschafts-Insignien werden Vertreter nichtchristlicher Glaubenstraditionen mitwirken. Dabei habe man darauf geachtet, dass sie keine expliziten christlichen Motive tragen. Der König solle nicht nur von der christlichen Kirche mit den "Staatsinstrumenten" ausgestattet werden, hieß es im Vorfeld der Feier.
Bei aller Interreligiostät bleibt es aber unübersehbar: Die Krönung von Charles III. findet nicht nur in einem Gottesdienst statt, sie ist ein Gottesdienst. Besonders augenscheinlich wird dieser Umstand bei der Salbung, die der Krönung vorausgeht und der Mittelpunkt der fünfteiligen Liturgie ist. Vieles dabei erinnert an eine Weiheliturgie. Auch die Church of England wird in ihren Erklärungen zur Feier nicht müde, diesen Umstand zu betonen.
Im Anschluss an die Predigt wird schließlich der Hymnus Veni Creator angestimmt, wie er auch vor Weihehandlungen gesungen wird. Im Mittelalter war es bei der Krönung englischer Monarchen darüber hinaus üblich, dass sie sich wie Weihekandidaten flach auf den Boden legten, also die sogenannte Prostratio machten.
Salbung mit Chrisam
Nach dem Geist-Hymnus wird Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, ein Segensgebet über das Salböl sprechen. Es handelt sich dabei um mit weiteren Stoffen angereichertes Olivenöl, das vor einigen Wochen in einer Zeremonie in Jerusalem vom griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Theophilos III., zu Chrisam geweiht wurde. Erzbischof Welby hatte ein besonderes Augenmerk auf dieses Öl gelegt. Er sagte im Vorfeld der Feier: "Seit Beginn der Planungen für diese Krönung war es mein Wunsch, dass ein neues Krönungsöl aus Olivenöl vom Ölberg hergestellt wird. Dies zeigt die tiefe historische Verbindung zwischen der Krönung, der Bibel und dem Heiligen Land."
Salbungen spielen im Christentum eine wichtige Rolle. Täuflinge werden mit Katechumenen-Öl und Chrisamöl gesalbt. Auch beim Sakrament der Firmung kommt Chrisam zu Einsatz, ebenso wie bei der Priester- und Bischofsweihe. Auf der einen Seite stellt die Salbung eine Abwehrfunktion dar – sie soll zeigen: böse Kräfte rutschen an Gesalbten ab. Die alte Kirche bemühte dazu das Bild von Ringern, die sich vor dem Kampf mit Öl einreiben. Auf der anderen Seite symbolisiert die Salbung Stärkung, Macht und Einfluss. Schließlich werden in der Tradition Könige, Priester und Propheten gesalbt.
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Die Salbung eines Herrschers nach dem Vorbild der alttestamentlichen Könige galt in Europa lange Zeit als der entscheidende Akt der Königserhebung. Die Königseinsetzung und der damit verbundene Weiheritus werden so als unmittelbar gottgegeben inszeniert. Die Salbung ist also ein Ausdruck des Gottesgnadentums. Die Krönung britischer Monarchen ist die einzige, in deren Verlauf heute noch eine Salbung erfolgt.
In den Erläuterungen zur Krönungsliturgie betont die Church of England, dass die Salbung den heiligsten Teil des Gottesdienstes darstelle. Daher werde wie im Jahr 1953 diese Handlung weder im Fernsehen noch unmittelbar in der Kirche sichtbar sein. Eine Art Paravent wird den König von den Blicken der Mitfeiernden abschirmen. Es werde der einzige Moment der Privatsphäre des Königs während des Gottesdienstes sein. Der König werde in diesem Moment darüber nachdenken, wie er von Gott berufen wird. Queen Elisabeth will seinerzeit eine göttliche Gegenwart in diesem Moment gespürt haben.
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Erst im Anschluss an die Salbung folgt die Investitur des Königs. Sie stellt aber nicht einfach nur die Übergabe der königlichen Gewänder und Regalia dar, sondern kann vielmehr als Ausdeutung der Salbung verstanden werden. Der König wird zuerst mit der Supertunica bekleidet. Sie erinnert an ein byzantinisches Untergewand für Priester. Laut Church of England soll sie verdeutlichen, dass der König "geweiht" worden ist. Ebenso wird dem König eine Stola umgelegt, die er mit hängenden Enden wie Priester und Bischöfe tragen wird. Anschließend bekommt er eine Art Chormantel umgelegt, wie er von Vorstehenden in der christlichen Liturgie verwendet wird.
Auf die "Weihe" folgt die "Hochzeit"
Danach wird dem König der Herrscherring angesteckt. Dessen Bedeutung ist vergleichbar mit der von Ringen, die in der Ehe ausgetauscht werden, oder von päpstlichen, oder bischöflichen Ringen: Sie alle sind ein Symbol der Verheißung und der Verbindung. Es "verheiratet" den König mit Gott und mit dem Volk. Auch die Bischofsweihe wurde lange Zeit in der katholischen Kirche als eheähnlich verstanden.
Nachdem der König schließlich mit der Krone gekrönt wurde, schließt sich ein Segensgebet verschiedener christliche Würdenträger an. Hierin besteht eine der Neuerungen der Krönungsfeier. Kardinal Vincent Nichols von Westminster ist der erste katholische Bischof, der seit der Reformation eine aktive Rolle bei der Krönung eines britischen Monarchen spielt. Neben Nichols werden Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der neu ernannte Apostolische Nuntius, Erzbischof Miguel Maury Buendí, an der Krönung teilnehmen. Auch Erzbischof Eamon Martin von Armagh, Primas von Irland, Bischof Hugh Gilbert von Aberdeen, Präsident der schottischen Bischofskonferenz, und Erzbischof Mark O'Toole von Cardiff sind als katholische Vertreter in Westminster Abbey geladen.
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Nichols betonte in einem Gespräch mit der britischen Zeitschrift 'The Tablet", dass König Charles "höchste Wertschätzung für die katholische Kirche" habe. Die Krönung sei ein "bemerkenswerter Moment" für die ökumenischen Beziehungen. Er sehe die katholische Teilnahme an der Krönung als "Wiederzusammenkommen" und wies darauf hin, dass englische Krönungsliturgien 500 Jahre lang katholisch waren, bis Heinrich VIII. sich 1534 von der römischen Kirche lossagte und die Church of England gründete.
Der Erzbischof von Westminster betonte, dass die Krönungsliturgie viele Elemente enthalte, die auch Katholiken vertraut seien. Beispielweise sei das Gloria aus William Byrds "Mass for Four Voices" aus dem 16.Jahrhundert für Widerständler geschrieben worden, die sich geweigert hatten, Teil der neu gegründeten Church of England zu sein. Nicholas erklärte weiter, er habe 1953 die Krönung von Königin Elisabeth II. im Fernsehen gesehen, aber sich nicht vorstellen können, "eine nicht-katholische Kirche zu betreten". Doch die Zeiten haben sich geändert. So schenkte Papst Franziskus Charles zur Krönung eine Kreuzesreliquie, die in das Vortragekreuz eingearbeitet wurde.
1953 blieben die katholischen Geistlichen vor der Abbey stehen
Bei der Krönung von Königin Elisabeth II. 1953 nahmen katholische Geistliche lediglich an der Prozession zur Kathedrale teil, betraten die Kirche jedoch nicht. Der damalige Erzbischof von Westminster, Kardinal Bernard Griffin, hielt jedoch am Vorabend der Krönung eine Messe für die Königin in der Westminster Cathedral.
Vor Charles Krönung brachte sich die katholische Bischofskonferenz engagierter ein. Sie veröffentlichte ein Gebet, das die Katholiken des Landes an drei Tagen vor der Krönung sprechen sollten. Am Abend vor der Krönung feierten die Gemeinden dann eine Messe für den König und die Königin – wie vor 70 Jahren und doch ein bisschen anders.
Übertragung und Ablaufplan
Die Krönung Charles III. wir ab 9:30 Uhr in der ARD übertragen. Das ZDF strahlt die Höhepunkte des Tages in einer Zusammenfassung um 19:25 Uhr aus.
Die Church of England stellt auf ihrer Internetseite den Ablaufplan der Liturgie samt Erklärungen zur Verfügung.