Papst Franziskus sendet beim Thema Missbrauch fatale Signale
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Dass sich Papst Franziskus nicht immer eindeutig äußert – von Interviews bis hinein in nachsynodale Schreiben – und damit viel Interpretationsspielraum lässt, ist nicht neu. Auch das eine oder andere widersprüchliche Wort kennt man von ihm. Ob das nun jesuitisch ist, aus pastoraler Umsicht geschieht oder einfach einer Spontaneität geschuldet ist, die auch dem vatikanischen Presseapparat regelmäßig die Schweißperlen auf die Stirn treibt, diskutieren Journalisten weltweit fast genauso lange, wie das Pontifikat nun andauert.
Neu ist dagegen, dass Franziskus auch bei dem seit fast zwei Jahrzehnten die Kirche überschattenden Thema Missbrauch für immer mehr Widersprüche sorgt. Und das ist fatal. Hat der Papst noch vor wenigen Jahren zahlreiche Bischöfe in Chile wegen eines falschen Umgangs mit Missbrauchstaten aus ihren Ämtern entfernt und entsprechende Kirchenrechtsnormen drastisch verschärft, um nicht nur Missbrauchstäter, sondern auch Vertuscher rechtlich belangen zu können, sorgt er mittlerweile mit Relativierungen und nicht nachvollziehbaren Entscheidungen für Irritationen.
So entschuldigte er den vermutlich falschen Umgang seines Vorvorgängers Johannes Paul II. mit Missbrauch mit dem "Zeitgeist"-Argument, das ansonsten in der katholischen Kirche bestenfalls zur Ablehnung lästiger Reformen herangezogen wird. Über Missbrauchstäter sagte er jüngst, sie seien "Kinder Gottes". Man solle sie zwar verurteilen – aber als Bruder. Täter verdienten Bestrafung, aber auch Seelsorge. Mag das alles auch theologisch nicht falsch sein, klingt es für Betroffene dennoch wie blanker Hohn angesichts des jahrzehntelangen Desinteresses der Kirche an ihnen.
Nicht weniger problematisch sind der päpstliche Umgang und die Intransparenz mit eingereichten Bischofsrücktritten im Zusammenhang mit Missbrauch. Welche Rücktrittsgesuche werden angenommen? Welche abgelehnt? Und vor allem: Warum? Nicht zuletzt steht auch das vatikanische Vorzeigeprojekt zum Thema Missbrauch – die Kinderschutzkommission – nach Umstrukturierungen vor großen Problemen.
Das Vorgehen des Vatikans mit dem Papst an der Spitze lässt die Glaubwürdigkeit der Kirche bei der Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch derzeit also noch weiter schwinden. Die katholische Kirche braucht nicht nur neue Gesetze. Sie braucht noch viel mehr Transparenz, Einfühlsamkeit und Eindeutigkeit als bisher: Denn zuallererst kommen die Betroffenen. Das gilt auch für den Papst.
Der Autor
Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.
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Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.