Erzbischof Gänswein: "Wo wird der Papst mich hintun?"
Der ehemalige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, hat ausweichend auf die Frage geantwortet, ob er sich künftig ein Bischofsamt in Deutschland vorstellen könne. "Ich bin nicht der, der entscheidet. Ich bin der, über den entschieden wird", sagte Gänswein (66) am Dienstagabend in Wiesbaden. Derzeit sind drei Bischofsstühle in Deutschland vakant. Gänswein fügte hinzu, dass er Papst Franziskus auch von sich aus "Vorschläge" mache. Franziskus habe ihm gesagt: "Ich überlege, überlegen Sie auch." Er frage sich aber nun immer mehr, so Gänswein: "Wo wird der Papst mich hintun?" Es gebe derzeit eine "Phase des Überlegens", sagte Gänswein bei einer Veranstaltung des Presseclubs Wiesbaden. Er hoffe, dass er bis Pfingsten mehr wisse. Gänswein war Privatsekretär des an Silvester gestorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI.
Derzeit wird spekuliert, ob Gänswein aus dem Vatikan nach Deutschland zurückkommt. Laut argentinischen Medienberichten hat Papst Franziskus das dem 66-Jährigen nahegelegt. Der Bamberger Bischofsstuhl ist derzeit unbesetzt, nachdem Papst Franziskus den Rücktritt des bisherigen Erzbischofs Ludwig Schick am 1. November 2022 angenommen hatte. Seit dem Rücktritt von Bischof Franz-Josef Bode Ende März ist auch der Osnabrücker Bischofssitz vakant. Seit dem altersbedingten Rücktritt von Erzbischof Hans-Josef Becker am 1. Oktober 2022 ist zudem der Paderborner Bischofsstuhl nicht besetzt.
Gänswein: Halte Synodalen Weg für falsch
Mit Blick auf den Synodalen Weg machte Gänswein deutlich, dass er selbst und auch der Vatikan diesen Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland für den falschen Weg halte. Rom habe inzwischen nicht nur die Gelbe Karte, sondern die Rote Karte gezeigt, sagte Gänswein. Wenn es Elemente gebe, wo man versuche, aus dem gemeinsamen Glauben "auszuscheren", dann müsse "natürlich Rom etwas dazu sagen".
Der Synodale Weg habe die Antwort sein sollen auf das in der MHG-Studie von 2018 deutlich gewordene Missbrauchsgeschehen in der Kirche. Wenn er aber sehe, was fünf Jahre später aus dem Synodalen Weg geworden sei, der "als solcher überhaupt keine rechtliche Bindung" habe und sich in vier Foren aufgegliedert habe, müsse er sagen: "Wo ist denn hier tatsächlich die Antwort?" Der Zug sei "woanders hin abgebogen", sagte Gänswein, ohne dies näher ausführen. "Spätestens dann hat der Heilige Stuhl aus Amtsverantwortung eingreifen müssen und sagen müssen: Halt! Nicht nur Gelbe Karte, sondern Rote Karte." Der Vatikan hatte sich etwa kürzlich gegen eine deutliche Aufwertung von Laien bei Taufen und Predigten in der katholischen Kirche ausgesprochen.
Benedikt als "Pionier der Aufarbeitung"
Zur Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche generell sagte Gänswein, es habe zu lange gedauert, bis die Kirche die Betroffenen in den Blick genommen habe. "Der Institutionenschutz ging – warum auch immer – dem Opferschutz vor", sagte Gänswein. "Das war vielleicht die Ursünde oder der Grundfehler." Papst Benedikt XVI. habe als erster Papst Missbrauchsopfer getroffen und sei "ein Pionier der Aufarbeitung" gewesen.
Auf die Frage, wie er Benedikt in wenigen Stichworten charakterisieren würde, sagt Gänswein: "Mann des Geistes, Mann der Klarheit, Mann der Milde. Er hat sich nicht nach Macht gesehnt. Ein Mann des geschliffenen, aber auch des klaren, des überzeugenden Wortes. Ein Mann, der, je leiser er sprach, desto deutlicher es meinte." Über das Temperament von Benedikt sagte Gänswein mit einem Schmunzeln: "Ich habe ihn nie außer sich gesehen. Das hat mich außer mich gebracht. Wir sind da ganz unterschiedlich." Benedikt sei nie aus dem Rahmen gefallen und habe nie nach Applaus geschielt. (KNA)