Er merke nichts vom Vertrauensverlust der Kirche

Bischof: Katholische Polizeiseelsorge weiterhin notwendig

Veröffentlicht am 29.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Christopher Beschnitt (KNA) – Lesedauer: 

Augsburg ‐ Die katholische Polizeiseelsorge wird immer mehr nachgefragt, sagt der zuständige Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof im Interview. Er spricht auch über Mehrbelastung der Beamten und rechte Umtriebe.

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"Verhältnis von Staat und Kirche" – unter diesem Titel hat in Augsburg die Bundesarbeitsgemeinschaft der Katholischen Polizeiseelsorge in Bund und Ländern getagt. Unter den rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war auch der katholische Polizeibischof, der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof. Im Interview spricht Bischof mit Blick auf die Polizei über wachsende Belastungen und Extremismus. Außerdem erklärt er, warum es eine speziell katholische Polizeiseelsorge braucht – selbst, wenn diese durchaus auch von Muslimen genutzt wird.

Frage: Herr Weihbischof, vor welchen Herausforderungen steht die Polizeiseelsorge aktuell?

Bischof: Eine Herausforderung ist die Frage, wie wir als Kirchen auch in Zukunft für die Polizistinnen und Polizisten da sein wollen. Denn die Kirche hat eben auch ein Personalproblem, es mangelt an Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Für die Diözesen ist es daher immer wieder eine Herausforderung, Fachleute für unsere Arbeit abzustellen. Daran führt aber kein Weg vorbei, schließlich sind wir zur Polizeiseelsorge durch Verträge mit Bund und Ländern verpflichtet. Ein weiterer Punkt: Die Anforderungen für die Seelsorgerinnen und Seelsorger werden immer intensiver.

Frage: Inwiefern?

Bischof: Früher konnten unsere Polizisten und Polizisten viel sicherer als heute sein, abends nach dem Dienst wieder gesund nach Hause zu kommen. Heute werden sie viel öfter angepöbelt, angespuckt und angegriffen. In der Gesellschaft ist der Respekt vor anderen Menschen, gerade vor Einsatzkräften, deutlich zurückgegangen. Die Hemmschwelle, anderen gegenüber übergriffig zu werden, ist stark gesunken. Hinzu kommen mehr oder weniger neue Gefahren wie jene durch Terroristen und Attentäter. Durch all das werden Polizistinnen und Polizisten physisch und psychisch belastet. Damit müssen unsere Seelsorgekräfte umgehen.

Frage: Wie tun sie das konkret?

Bischof: Das Seelsorgeangebot ist natürlich freiwillig. Es richtet sich an alle Polizistinnen und Polizisten, unabhängig von Religion und Konfession. Wir weisen immer wieder darauf hin, dass wir immer und überall ansprechbar sind, sei es nach einem aufwühlenden Einsatz, sei es aus einem allgemeinen Gesprächsbedürfnis heraus.

Frage: Wie wird dieses Angebot angenommen?

Bischof: Sehr gut, ja immer besser. Denn wie gesagt: Die Belastungen für Polizistinnen und Polizisten wachsen und damit der Wunsch nach deren Bewältigung. Außerdem sind wir ja nicht Teil der Polizeiorganisation und kommen von außen. Unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger haben das Zeugnisverweigerungsrecht und wahren das Seelsorgsgeheimnis. Dadurch besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis.

Ein Mann in Mönchskutte und Polizisten stehen sich bei der Räumung von Lützerath gegenüber
Bild: ©KNA/Gordon Welters

Heute werden Einsatzkräfte öfter als früher angepöbelt, angespuckt und angegriffen, sagt Wolfgang Bischof.

Frage: Allgemein steht die Kirche ja wegen des Missbrauchsskandals vor einem großen Vertrauensverlust.

Bischof: Richtig, aber in der Polizeiseelsorge merken wir zunächst nichts vom Vertrauensverlust der Kirche. Im Gegenteil, wir hören immer wieder Sätze wie: "Ich könnte meinen Dienst nicht tun, wenn es euch nicht gäbe." Wir kommen dabei auch mit Menschen in Kontakt, die eigentlich gar nichts mit uns zu tun haben. In Ostdeutschland zum Beispiel sind ja sehr viele Menschen nicht religiös gebunden. Aber auch dort wird unser Angebot stark nachgefragt. Und hier bei unserer Tagung hat jemand von einem Polizisten berichtet, der gesagt habe: "Zum Beten geh ich in die Moschee, aber zum Reden geh ich zum katholischen Seelsorger."

Frage: Braucht es dann überhaupt eine speziell katholische Polizeiseelsorge?

Bischof: Ja, denn unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger kommen natürlich aus ihrer speziellen Konfession und stehen für diese. Als Katholiken haben wir zum Beispiel beim Thema Schuld und Vergebung einen besonderen Ansatz, wenn Sie zum Beispiel an das Sakrament der Beichte samt der Lossprechung denken.

Frage: Die Polizei macht immer wieder auch durch rechte Umtriebe Schlagzeilen. Inwiefern ist das für Sie ein Thema?

Bischof: Eine mögliche Ursache für extremistische Ansätze von Verhalten ist zumeist eine Form von Frustration. "Ich verhafte den jetzt und morgen ist der wieder auf der Straße unterwegs" – so etwa. "Wofür mache ich das hier eigentlich?" Diese Frustration im Gespräch rechtzeitig abzubauen, ist eine Aufgabe für die Seelsorge. Zudem stehen wir natürlich Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen zur Seite, die mit extremistischem Gebaren in ihrem Arbeitsumfeld umgehen müssen. Wir beraten und begleiten sie etwa in Präventionsprogrammen.

Frage: Geben Sie den Frust weiter? Fungiert die Seelsorge als Sprachrohr zwischen Polizei und Staat?

Bischof: Wir verstehen uns da durchaus als Vermittler. Mein erster Ansprechpartner als Polizeibischof ist die Deutsche Bischofskonferenz. Aber auch mit staatlichen Stellen in Bund und Ländern stehe ich im Austausch. Die Polizeiseelsorge ist also nicht nur individuelle Hilfe, sondern auch gesellschaftsrelevant.

Von Christopher Beschnitt (KNA)