Standpunkt

Gehorsam um jeden Preis oder die Kraft des besseren Arguments?

Veröffentlicht am 31.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Oliver Wintzek – Lesedauer: 

Bonn ‐ In der Kirche herrscht ein internalisierter Gehorsam autoritativer Art, so Oliver Wintzek. Dabei gebe es auch einen Gehorsam, der sich der Autorität des besseren Arguments verpflichtet wisse. Lehramtliche Stoppschilder seien hier fehl am Platz.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Hannah Ahrendt prägte den denkwürdigen Satz "Es gibt kein Recht zu gehorchen". Im katholischen System hat dieser nachweislich wenig Gehör gefunden. Man gehorcht trotz besserer Einsicht – bis hin zu Rücktrittsangeboten, bei denen der Papst wenig transparent anderes verfügt oder nicht entscheidet. Souveränität sieht anders aus und das auf allen Ebenen.

Es gibt eine Alternative zum katholisch internalisierten Gehorsam autoritativer Art, es gibt Gehorsam, der sich der Autorität des besseren Arguments verpflichtet weiß. Dieser begründet sich nicht formal sondern vom Inhalt her. Solange das formale "Go" von oben entscheidend ist, das einem Warten auf Godot gleicht, herrscht frustrierende Stagnation, die momentan zu einem katholischen Massenexodus führt – wegen besserer Einsicht.

All dies ist besonders frustrierend für jene Kompetenzgruppe, die von ihrer Profession für das inhaltliche Argument zuständig ist – die Gruppe der Theolog:innen. Seit Jahrzehnten stapeln sich die wirkungslosen Wortmeldungen zu allen Reformforderungen in den Regalen. Wohlgemerkt: Reform wird eingefordert um des Evangeliums willen, nicht – wie oft unterstellt – als Verfälschung des Evangeliums. Dieses ist kein universal-petrifizierter Katalog, wie die lehramtlichen Stoppschilder à la "Schöpfungsordnung" (Biblizismus nebst naturalistischem Fehlschluss), "Weltkirche" (Einheitsfiktion nebst Inkaufnahme diskriminierender Positionen), "keine Vollmacht zu" (Verschleierung absoluter Macht nebst argumentativer Verweigerung) glauben machen wollen.

Die theologische Alternative ist die Einsicht in das geschichtliche Gewordensein des Evangeliums als beständiger Übersetzungsprozess dessen, dass der Gottesglaube zu allen Zeiten mit fehlbaren menschlichen Gründen errungen wird, deren Plausibilitäten nachweislich in die Jahre kommen, denen auch durch formale Autorität keine Zukunft beschieden ist. Hier verbietet sich der Gehorsam – und dies nicht resignativ, sondern offensiv!

Von Oliver Wintzek

Der Autor

Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.