Lepra tötet noch immer mehr als 200.000 Menschen im Jahr

Eine Krankheit der Armen

Veröffentlicht am 25.01.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Welt-Lepra-Tag

Münster/Würzburg ‐ Mit ihrem Verschwinden aus Europa hat die Infektionskrankheit Lepra in den Köpfen vieler im Westen aufgehört, eine Bedrohung zu sein. In armen Regionen lebt der Erreger jedoch weiter. Und mit ihm Stigma und Isolation, die schon im Mittelalter mit der Diagnose verbunden waren.

  • Teilen:

Ein Eindruck davon, wie die Krankheit aus den Betroffenen Ausgeschlossene machte, vermittelt sich am Stadtrand von Münster. In Deutschlands einzigem Lepramuseum zeigt Museumsführerin Petra Jahnke die zusammengetragenen Exponate, mit denen der kleine Verein die Krankheit im Bewusstsein halten will.

Da sind etwa medizinische Präparate: eine zur Kralle deformierte Hand. Ein Fuß, von Wunden zerfressen. Der Erreger befalle die Nerven und töte sie ab, erläutert die Biologielehrerin. "Infektionen werden wegen der Taubheit nicht bemerkt und entzünden sich immer weiter." Entgegen landläufiger Vorurteile seien lepratypische Behinderungen, wie verstümmelte Gliedmaßen, kein Symptom, sondern eine Spätfolge nicht behandelter Entzündungen.

Ein furchterregender Anblick

Zu den Ausstellungsstücken gehören auch lebensgroße Modelle zweier Aussätziger, gekleidet in ihrer Zwangskluft: Ein langes Gewand verhüllte ihre versehrten Körper. Weiße Binden um Hände und Füße sollten vor Berührungen schützen. Mit einer Holzklapper sollten die Gesunden gewarnt werden, die Straßenseite zu wechseln. Nicht die Angst vor Anstreckung schreckte damals die Menschen, der furchterregende Anblick löste Angst aus: "Mangels medizinischer Erklärungen ging man davon aus, dass sie von Gott für unmoralisches Verhalten gestraft worden waren", sagt die Museumsführerin.

"Damals wusste man sich nicht anders zu helfen, als sie in Leprosorien unterzubringen", erklärt Jahnke. Mehr als 1.000 solcher Leprosen-Häuser gab es auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. So diskriminierend Verbannung und Stigmatisierung aus heutiger Sicht schienen, so alternativlos sei die Separierung damals gewesen. Immerhin, betont sie, seien die Menschen dank großer Spendenbereitschaft und eigener Seelsorge gut versorgt gewesen. "Die Leprosorien waren, wenn man so will, die ersten Sozialeinrichtungen."

Player wird geladen ...
Video: © Missio Aachen

Seit über 50 Jahren engagiert sich die Ordensfrau und Ärztin Ruth Pfau für die Menschen in Pakistan.

Vermutlich wegen besserer Lebensbedingungen ebbte Lepra im 17. Jahrhundert in Europa ab. Mit der Entdeckung des Erregers lernte man 1873 erst den Feind, später dank Antibiotika auch wirksame Gegenmittel kennen. Dennoch erkranken weltweit immer noch weit mehr als 200.000 Menschen jährlich. Zu großes Unwissen und mangelnde Prävention seien die Gründe, vermuten Experten.

"Lepra ließe sich leicht besiegen, wenn wir mehr darüber wüssten. Es ist längst eine vermeidbare Krankheit", sagt Jürgen Hövekenmeier, Sprecher der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW). So sei zu wenig bekannt über die Übertragungswege. Es gibt keine Impfung oder Schnelltests. Lepra hat eine lange Inkubationszeit, zudem sei ein Großteil der Weltbevölkerung resistent. "Warum das so ist, ist wissenschaftlich überhaupt nicht geklärt. Wahrscheinlich tragen viele Menschen den Erreger weiter, ohne jemals zu erkranken, können aber andere anstecken."

Kein Interesse bei der Pharmaindustrie

Doch der Pharmaindustrie fehle das Interesse in Forschung zu investieren, kritisiert die DAHW. Denn: Lepra ist eine Krankheit der Armen - nur wo die Immunsysteme der Menschen geschwächt sind, hat das Bakterium eine Chance. Die meisten Neuerkrankungen finden sich in Ländern mit meist schlecht entwickelter medizinischer Infrastruktur, berichtet das RKI. Indien, Brasilien und Indonesien sind darunter.

Abscheu und Angst vor Ansteckung, machen auch heute noch Aussätzige aus allen, die Spätfolgen davontragen. Vier Millionen Menschen litten, wenn auch längst geheilt, an Behinderungen durch Lepra, schätzt die DAHW. "Sie haben keine Chance mehr auf Arbeit. Niemand will mit ihnen leben, weil sie noch als krank und ansteckend gelten", schildert Hövekenmeier. "Im Mittelalter waren sie ausgestoßen, aber die christliche Gesellschaft hat mit Leprosorien und Spenden Verantwortung übernommen. Heute sind Leprakranke nur noch ausgestoßen."

Von Florentine Dame

Steyler helfen Leprakranken in Indien

Rund 250.000 Menschen erkranken jedes Jahr neu an Lepra. Jeder Zehnte ist ein Kind. Und obwohl die Krankheit längst heilbar ist, löst sie noch immer panischen Schrecken aus: "Leprakranke werden bei uns häufig geächtet. Denn viele glauben, dass die Krankheit eine Strafe Gottes wegen Untaten aus einem früheren Leben sei", berichtet Pater Joseph Philip, Steyler Missionar in Indien. "Deswegen sind sie auch in Krankenhäusern nicht gern gesehen." In keinem anderen Land gibt es so viele Leprakranke wie in Indien. In Puri, einem Wallfahrtsort im Bundesstaat Orissa, ist sie durch die Pilgerströme besonders stark verbreitet. Die Steyler Missionare beschlossen zu handeln: 1976 begannen sie, ein Hilfszentrum aufzubauen, in dem die Kranken untersucht und behandelt werden. Mittlerweile stehen 22 Betten für die Kranken der ganzen Gegend bereit, es gibt eine Zahnklinik und einen orthopädischen Schuhmacher. Zusätzlich pflegen die Steyler über 100 alte und verkrüppelte Kranke und versorgen sie mit Nahrung und Kleidung. Wichtig ist auch die Schule für die Kinder der Leprakranken. Denn nicht nur sie, sondern auch ihre Nachkommen werden gesellschaftlich geächtet: In die staatlichen Schulen werden sie nicht aufgenommen. Doch auch in den Leprakolonien wird die Hilfe der Missionare dringend gebraucht: Die Steyler helfen Familien, ihre zerfallenen Häuser wieder aufzubauen, die Waisenkinder finden im "Karunalaya Children's Home" ein neues Zuhause. "Das biblische Wort Aussatz beschreibt ganz gut, was sie sind: Ausgesetzte, An-den-Rand-Gedrängte", weiß Pater Joseph Philip, der die Leitung für das Leprazentrum von dem polnischen Missionar Marian Zelazek übernommen hat. "Karunalaya bedeutet: Ort des Mitleids und der Liebe. Wir wollen das Vertrauen und die Würde der Leprakranken wieder herstellen. Sie sollen Teil der normalen menschlichen Gesellschaft sein."