Kritik auch an Kardinal Woelki

Bätzing hadert mit Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln

Veröffentlicht am 10.06.2023 um 15:01 Uhr – Lesedauer: 

Nürnberg ‐ Beim evangelischen Kirchentag war auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, unterwegs. In Nürnberg formulierte er deutliche Kritik an der Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln.

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, hadert nach eigenen Worten bisweilen mit den Zuständen im Erzbistum Köln. Dort habe man lediglich die juristische Aufarbeitung des Missbrauchs in den Blick genommen. Das sei zwar notwendig, um Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen. "Aber das hilft nicht in die Zukunft hinein", sagte Bätzing am Samstag bei einem Interview auf dem "Roten Sofa" der Kirchenpresse beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Es müsse ein Kulturwandel erreicht werden, "und davon war in Köln weit und breit nichts zu spüren".

Er selbst habe mehrfach mit dem Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, über dessen Umgang mit Vorwürfen gegen ihn persönlich gesprochen. Aber: "Es gibt Menschen, auf die man wie auf ein totes Pferd einreden kann" – ohne dass etwas passiere, sagte Bätzing laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Dass Reformvorhaben innerhalb der Kirche immer wieder Rückschläge erlitten, bezeichnete der DBK-Vorsitzende als "zermürbend". "Es kommt noch dazu, dass ich mich selber als einen guten Konservativen beschreiben würde", so Bätzing. Zu merken, dass man konservativ auch ganz anders begreifen könne, sei eine Herausforderung. "Wir haben Geschwister, die wir uns nicht gesucht haben, die Gott uns zur Seite stellt", sagte der Limburger Bischof und betonte: "Das Brückenschlagen ist das, wofür ich stehe und das, was ich möchte."

Nun sei jedes einzelne Bistum dran

Bätzing forderte zudem die Politik auf, sich des Themas Missbrauch als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe anzunehmen, "wie es notwendig ist". Er wolle nicht ablenken von den Schwierigkeiten, die die Kirchen mit dem Thema hätten. Aber es geschehe schon viel in der katholischen Kirche in der Präventionsarbeit, sagte der Bischof. Er könne verstehen, dass bei vielen der Eindruck entstehe, dass die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle nicht schnell genug vorankomme. Aber nun sei jedes einzelne Bistum dran.

Bätzing räumte ein, dass die frühere katholische Grundordnung Leid ausgelöst habe. Es habe Tabuisierung, Doppelmoral und verstecktes Leben gerade für homosexuelle Menschen in der Kirche gegeben. Eine neue Grundordnung habe das nun verändert. Es gebe außerdem neuerdings die Möglichkeit einer liturgischen Feier mit dem Segen für gleichgeschlechtliche Paare. Eine Trauung solcher Paare schloss Bätzing aber aus: "Das Sakrament der Ehe ist ein Sakrament zwischen Mann und Frau, das ist die Grenze für die katholische Kirche, auch wenn die Ehe gesellschaftlich geöffnet worden ist."

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Zuvor hatte der Limburger Bischof bei einer Bibelarbeit für einen anderen Umgang mit der Zeit geworben. Die Gegenwart sei geprägt von Erfahrungen der Beschleunigung und Entfremdung sowie einer stetig zunehmenden Liste von Anforderungen. "Je älter ich werde und je mehr Lebenserfahrung ich sammeln darf, umso mehr zweifle ich, dass unser Leben – zumal ein gläubiges Leben – als eine simple Abfolge auf einem gerichteten Zeitstrahl zutreffend beschrieben werden kann."

Dem entgegen stellte Bätzing das Zeitverständnis der Bibel. Die Auferstehung Jesu, sein Leben und die Gottesherrschaft lägen nicht zurück in ferner Vergangenheit. "Ostern ist die Quelle. Und aus dieser Quelle entspringt immer neu unser künftiges Leben. Jeder neue Tag, jede Stunde und jedes unserer Jahre schöpfen daraus ihre Lebendigkeit", so der Bischof. "Die Beziehung zu Christus verändert und schafft eine neue Realität, einen neuen Raum."

Ein passendes Bild für das Reich Gottes

Das Phänomen der "Gegenwartsschrumpfung", so Bätzing mit einer Formulierung des Soziologen Hartmut Rosa, brauche "Resonanzerfahrung und Räume hierfür, wo ein 'In-Beziehung-Treten' geschieht". Religion ziele nach Auffassung Rosas im Kern darauf ab, solche Räume bereitzustellen. Dazu zähle auch das Zeitkonzept des Kirchenjahres, das sich alljährlich wiederhole.

Bätzing schloss mit den Worten: "Ja, Resonanz, wörtlich eine Beziehung zwischen zwei schwingungsfähigen Systemen, das finde ich ein sehr passendes Bild für das Reich Gottes, das mitten unter uns ist." (cbr/KNA/epd)