Standpunkt

Es ist Zeit, an Frieden als Primat der Politik zu erinnern

Veröffentlicht am 12.06.2023 um 00:01 Uhr – Von Michael Böhnke – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Die Aussagen des Bundespräsidenten zu Waffenlieferungen beim Evangelischen Kirchentag haben Michael Böhnke irritiert. Er mahnt: Gerade jetzt sei es an der Zeit, mit zivilgesellschaftlichen Anstrengungen den Anfängen zu wehren.

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"Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal sagen würde: Es ist auch Zeit für Waffen." Walter Steinmeier hat auf dem Evangelischen Kirchentag mit dieser Aussage angeeckt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ein Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland einmal so etwas sagt. Und das in Nürnberg!

Vor genau einem Jahr haben Bundestag und Bundesrat der Kreditermächtigung von 100 Milliarden Euro zur Schaffung eines Sondervermögens für die Bundeswehr zugestimmt. 100 Milliarden für neue Waffen! Dabei geht es nicht um die Unterstützung der Ukraine. Es geht um Aufrüstung. 18 Prozent aller Wahlberechtigten würden, so zeigt es eine neue Umfrage, AfD wählen. Hat man jemals darüber nachgedacht, was passieren könnte, wenn diese Partei an die Regierung käme?

Ausschließen kann das niemand. Die Zerstrittenheit der Regierungsparteien, Migration, Inflation, Zukunftsangst, all das ist schon mal dagewesen. All das spielt der AfD in die Hände. Sie selbst muss nichts tun. Sie kann in Ruhe abwarten. Ihr wird durch ein verschärftes Asylrecht und eine aufgerüstete Bundeswehr der rote Teppich ausgerollt. Beim Militär soll es ja nicht nur Bürger, es soll auch Reichsbürger in Uniform geben. Deren Beförderung scheint im Fall eines Wahlsieges der AfD nur eine Frage der Zeit.

Jetzt ist die Zeit, mit zivilgesellschaftlichen Anstrengungen den Anfängen zu wehren. Jetzt ist die Zeit, an Frieden als Primat der Politik zu erinnern. Jetzt ist die Zeit, die Führung der Bundeswehr am Einsatz für Freiheit und Frieden als politischem Ziel militärischer Präsenz neu auszurichten. Stattdessen profiliert sich der Verteidigungsminister auf Pressefotos als Mann der Truppe. Er huldigt dem Primat der Waffen, ohne deren vernichtenden Wirkungen zu thematisieren. Waffen töten. Sie schaffen keinen Frieden. Zum verantwortlichen Umgang mit Waffen, dazu hätte ich mir Aussagen des Bundespräsidenten gewünscht.

Gut, dass es den Evangelischen Kirchentag gegeben hat. Und gut, dass auf ihm zivilgesellschaftlich gestritten worden ist. Nicht nur um die Frage der Aufrüstung, auch um die Frage des Klimaschutzes. Von Nürnberg sind schon weitaus schlechtere Signale als das des friedlichen Streitens gesendet worden.           

Von Michael Böhnke

Der Autor

Michael Böhnke ist Professor für systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Außerdem ist er Ethik-Beauftragter des Deutschen Leichtathletikverbands.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.