Arbeit sollte nicht zum Götzen werden
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In einem Interview stimmte kürzlich Thomas de Maizière, der Präsident des Evangelischen Kirchentags, in das Lamento über die vermeintlich arbeitsscheue Generation Z ein. Das Interview lohnt die Aufmerksamkeit, denn es zeigt typische weiße Flecken auf.
De Maizière's Generation ist zuzubilligen, dass sie fleißig gearbeitet hat. Genauso fleißig hat sie daber aber auch CO2 emittiert. Allein das zeigt, dass Quantität nicht der einzige Maßstab sein kann, um Arbeit zu bewerten. Auch die Qualität zählt.
Des Weiteren übersieht de Maizière die Bedingungen, die ihm seine 16-Stunden-Tage als Minister ermöglicht haben. Viele andere Menschen müssen ihm Sorge- und Haushaltsarbeit abgenommen haben. Schon aus diesem Grund kann sein Arbeitsmodell nicht zum allgemeinen Gesetz werden.
Darüber hinaus geht de Maizière von der fragwürdigen Annahme aus, dass alle derzeit geleistete Arbeit sinnvoll und notwendig ist. In seinem Buch "Bullshit Jobs" hat der britische Anthropologe David Graber aber genau diese Annahme widerlegt, indem er Zeugnisse von Menschen sammelte, die ihre eigene Arbeit als sinnlos empfinden. Der Autor stellt fest, dass diese Menschen mit ihrer Arbeit extrem unglücklich sind. Er bezeichnet solche Arbeitsplätze als spirituelle Gewalt, weil sie das menschliche Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit verhöhnen.
Er fragt zudem, warum Arbeit umso schlechter bezahlt zu sein scheint, je sinnvoller und bedeutsamer sie ist. Gewerkschaften sollten daher nicht nur um den Erhalt von Arbeitsplätzen oder höheren Lohn kämpfen, sondern auch um Arbeitszeitverkürzungen. Zudem brauche es eine gerechte Verteilung von Löhnen und Gehältern hin zu den – wie wir sie mittlerweile nennen – systemrelevanten Berufen.
Nicht zuletzt übersieht eine übermäßige Betonung der Arbeit die biblischen Zeugnisse, die Arbeit kritisch beleuchten. In Gen 3,19 gilt die mühselige Feldarbeit als Gottesfluch. Am 8,5 kritisiert Menschen, die an Feiertagen Geschäfte machen. Jesus holt die ersten Jünger von ihrer Arbeit weg (Mk 1,16–20).
Insofern hat die junge Generation vollkommen Recht, wenn sie Erwerbstätigkeit nicht zum Götzen macht und stattdessen nach alternativen Modellen der Arbeitsverteilung sucht. Die Arbeitswelt, so schrieb Papst Johannes Paul II. in "Laborem exercens", erfordere "immer neue Aufmerksamkeit und entschiedenes Zeugnis". Das geht aber nur mit den jungen Menschen, nicht gegen sie.
Die Autorin
Dr. Juliane Eckstein ist Theologin und Alttestamentlerin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie erforscht derzeit den Zusammenhang von Ökologie und Göttlichkeit in den prophetischen Schriften.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.