Bischöfe müssten System der Anerkennungsleistungen anpassen

Betroffenenbeirat zu Missbrauchsurteil: Zeit der Almosen ist vorbei

Veröffentlicht am 16.06.2023 um 11:11 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Entscheidung im Kölner Schmerzensgeld-Prozess muss aus Sicht des Betroffenenbeirats auch Konsequenzen für die kirchlichen Anerkennungsleistungen haben. Es brauche ein glaubhaftes Zeugnis und eine wirkliche Haltungsänderung.

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Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hat die Bischöfe dazu aufgefordert, die Gespräche zum gegenwärtigen Anerkennungssystem für Zahlungen an Missbrauchsbetroffene wieder aufzunehmen. "Auch und gerade in der Anerkennung des erlittenen Leids muss es endlich zu einem glaubhaften Zeugnis einer wirklichen Haltungsänderung kommen. Denn die Zeit der Almosen ist nun endlich vorbei!", heißt es in einer Pressemitteilung vom Freitag. "Ziel muss es sein, gemeinsam zu einer nachhaltigen und den Grundsätzen des nunmehr ergangenen Urteils gerecht werdenden Verbesserung des Anerkennungssystem zu kommen."

Hintergrund für die Forderung ist das noch nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Köln, laut dem das Erzbistum 300.000 Euro Schmerzensgeld an ein Missbrauchsopfer zahlen soll. Der 64-jährige ehemalige Messdiener Georg Menne forderte im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden. Den Vortrag des Klägers – er soll 320 Mal von einem Priester missbraucht worden sein – hatte das Erzbistum nicht bestritten und auch darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen.

Kölner Gericht liege "beim 12fachen" der UKA-Entscheidung

Das Urteil bestätige die Position des Beirats, der seit dem Inkrafttreten des Systems zur Anerkennung des Leids und der Einsetzung der dafür zuständigen Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) immer wieder die zu niedrigen Zahlungen und das intransparente Verfahren kritisiert habe. Dem Kläger seien im kirchlichen Verfahren nur 25.000 Euro zugesprochen worden, "das Kölner Gericht liegt damit beim 12fachen dessen, was die UKA als Anerkennung des Leids für ausreichend definiert hat".

DBK und UKA betonten regelmäßig, dass sich die Leistungshöhen an vergleichbaren Urteilen weltlicher Gerichte orientierten. "Wenn dem so ist, dann muss die Kölner Entscheidung zur Revision der bisherigen Spruchpraxis der UKA und der bislang ergangenen Bescheide führen", erklärte der Beirat.

Zuvor hatte der Missbrauchsbeauftragte der DBK, der Aachener Bischof Helmut Dieser, jedoch bereits betont, am gegenwärtigen Zahlungssystem festhalten zu wollen. Mit Blick auf das Gerichtsverfahren betonte Dieser in einem Interview: "Jeder Betroffene hat das Recht, diesen Weg zu gehen." Ob die Bistümer aber von dem Verzicht auf Einrede der Verjährung Gebrauch machen würden, bleibe eine Einzelfallprüfung. Dieser zeigte sich zudem "froh, dass der Staat tätig wird und das Urteil Klarheit schafft". (cbr)

Zwei Jahre UKA: Die schwierige Frage nach dem Geld für Betroffene

Seit rund zwei Jahren bearbeitet die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen Anträge von Missbrauchsbetroffenen – und entscheidet über die jeweilige Höhe der Zahlungen. Mit der Schaffung der Kommission waren große Hoffnungen verbunden – erfüllt wurden diese längst nicht immer.