Bischof in Lissabon: Weltjugendtag kein katholisches Woodstock
In weniger als zwei Monaten beginnt in Lissabon der 37. Weltjugendtag (WJT) mit Papst Franziskus. Americo Aguiar (49), Weihbischof in Portugals Hauptstadt und Vorsitzender der WJT-Stiftung Lissabon 2023, spricht im Interview über die Vorbereitungen, eine Polemik um die Kosten, die notwendige Digitalisierung des Treffens und die Lust der Jugendlichen, sich wieder in die Arme zu nehmen.
Frage: Herr Aguiar, vom 1. bis 6. August findet in Lissabon der Weltjugendtag der katholischen Kirche statt. Wie laufen die Vorbereitungen?
Aguiar: Wir kommen gut voran. Dank der Hilfe Hunderter Jugendlicher und der portugiesischen Diözesen sind Unterbringung, Versorgung und Transport der Pilger so gut wie organisiert. Auch das breite Kulturprogramm und das Jugendfestival in Belem mit Berufungspastoral und Katechesen stehen. Doch je näher der Termin rückt, desto kleiner fühlen wir uns. Es ist das erste Mal, dass in Portugal ein Event dieser Größenordnung stattfindet. Wir erwarten weit über eine Million junger Menschen aus 183 Ländern; 600.000 Jugendliche sind bereits eingeschrieben. Das sind fast zehn Prozent unserer Bevölkerung. Eine wunderschöne Herausforderung, aber auch eine große Verantwortung.
Frage: Vier Jahre sind seit dem Weltjugendtag 2019 in Panama vergangen.
Aguiar: Seither ist viel passiert. Soziale Konflikte, Wirtschaftskrisen, jetzt der Ukraine-Krieg und vor allem die Corona-Pandemie mit Lockdowns, die besonders hart für die Jugendlichen waren. Man spürt, dass ihre Lust auf Jesus nach Corona größer ist denn je. Aber auch ihr Bedürfnis, sich endlich wieder in die Arme nehmen zu können.
Frage: Zweifellos ist die Jugend heute aufgewühlt.
Aguiar: Und deshalb wollen wir sie auch stärker als sonst auf dem WJT zu Wort kommen lassen. Die Jugend ist nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart – und wir möchten wissen, was sie von den aktuellen Problemen hält. So wird unser Bischof nicht nur wie üblich auf der Katechese während des WJT reden, sondern vor allem auch den Jugendlichen zuhören. Das ist neu im WJT-Format.
Es wird um Umweltprobleme gehen, um die Pandemie, um den Ukraine-Krieg und andere Konflikte, um universelle Geschwisterlichkeit. Es wird um Brückenbauen zwischen verschiedenen Religionen und Gesellschaften gehen; aber auch um das von Papst Franziskus geforderte menschlichere Modell von Wirtschaft, das auf soziale Gerechtigkeit und nicht nur aufs Wachsen ausgerichtet ist. Die heutige Jugend, die einer digitalen und sehr interaktiven Generation angehört, will und wird über diese Themen in Lissabon viel sprechen können.
Frage: Tatsächlich wird es der erste WJT, bei dem die Mehrheit der Pilger in den 90er Jahren und später geboren wurde – die also als sogenannte Digital Natives gelten. Was bedeutet das für den Event?
Aguiar: Eine große Herausforderung – weil diese Generation einfach ganz anders kommuniziert als wir. Darauf gehen wir ein. So wird es keine gedruckten Broschüren oder Informationsblätter mehr geben. Selbst das Pilgerbuch mit den Gebeten und Liedern erscheint nur noch als digitale App. Sie unterrichtet die Jugendlichen auch über den CO2-Fußabdruck, den sie durch ihre Reise nach Lissabon hinterlassen, und bietet verschiedenste Ideen, wie sie diesen durch Müllaufsammeln, Baumpflanzungen oder Recycle-Aktivitäten reduzieren können. In einem Dutzend Länder pflanzen Jugendliche bereits Bäume, um ihren CO2-Fingerabdruck auszugleichen. Zudem versuchen wir, den WJT dynamischer als sonst zu gestalten, weil das die neue Generation so gewohnt ist – und eine aktive Teilnahme auch fordert.
Frage: Wie steht es generell um die Kommunikation zwischen Jugend und Kirche?
Aguiar: Das hängt zumindest bei uns in Portugal stark vom Bistum und von den Verantwortlichen ab. Aber generell müssen gerade wir älteren Generationen in der Kirche unsere Sprache und unsere Kommunikationswege ändern und modernisieren, um die jungen Menschen zu erreichen; selbst in der Form, wie wir beten. Zwischen Kirche und Jugend gibt es ganz klar ein Kommunikationsproblem, das wir beheben müssen. Ich denke, der WJT wird eine gute Gelegenheit sein, auch die kirchliche Jugendarbeit in Portugal zu verbessern und jungen Menschen eine größere Rolle in unseren Diözesen zu geben.
Frage: Soeben hat der Papst eine Darm-Operation überstanden. Gibt es einen Plan B für den Fall, dass er nicht zum WJT kommen kann?
Aguiar: Es sind noch 48 Tage, bis wir Papst Franziskus in Lissabon empfangen. Das ist die Gewissheit, die wir haben und die ich habe. Und auf dieser Basis arbeiten wir.
Frage: Papst Franziskus scheint die Jugend durch seine Sprache und Art anzusprechen. Viele werden ihn beim WJT wie einen Pop-Star feiern. Verwässert das den spirituellen Hintergrund des Treffens?
Aguiar: Zweifellos spricht der Papst mit seinem Humor, seiner Einfachheit, seiner Sensibilität und seiner Sprache die Jugend an. Mit seinem Password "Christus Vivit" kommt er bei der Jugend an. Aber der WJT ist kein katholisches Woodstock. Und das Wichtigste ist nicht, wie oder warum die jungen Menschen nach Lissabon kommen, sondern dass sie als bessere Menschen nach Hause zurückkehren.
Frage: Wie passt das WJT-Motto "Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg" zur jugendnahen Sprache des Papstes?
Aguiar: Sehr gut. Mit dem Zitat aus dem Lukas-Evangelium will er die Jugendlichen auffordern zu handeln, aufzustehen, aktiv zu werden, Entscheidungen zu treffen. Sie sollen keine Angst haben, ihre Komfortzone zu verlassen. Andererseits passt das marianische Motto zu Portugal. Wir sind ein Land mit einer großen Marienverehrung. So möchten wir auch, dass die WJT-Teilnehmer in diesen Tagen den Marienwallfahrtsort Fatima besuchen.
Frage: Portugal geht es wirtschaftlich nicht besonders gut; die Arbeitslosigkeit ist hoch. Auch deshalb gab es im Vorfeld viel Kritik an den hohen Ausgaben für ein religiöses Event.
Aguiar: Gerade deshalb müssen wir den Menschen erklären, dass der WJT kein Kostenfaktor ist, sondern eine Investition in unser Land und unsere Zukunft. Und damit beziehe ich mich nicht nur auf den international kaum bezahlbaren Werbeeffekt für Portugal oder das Geld, das die Pilger während ihres Aufenthalts hier ausgeben. Gut – der Staat unterstützt uns ungefähr mit 30 Millionen Euro, die Stadt Lissabon mit 35 Millionen Euro. Weitere 30 Millionen kommen von den Kommunen und Spenden an die Kirche. Ich bin aber sicher, dass die Bilanz hinterher positiv ausfällt. Und sollte Geld übrig bleiben, werde wir es in Jugendprojekte investieren.
Davon abgesehen handelt es sich auch nicht nur um Ausgaben. Von den 35 Millionen Euro der Stadt fließen nur 10 Millionen direkt in den WJT. Der Rest sind bleibende Investitionen in die urbane Infrastruktur; beispielsweise die Altarbühne, auf der Papst Franziskus die Abschlussmesse halten wird und die anschließend für künftige Kulturevents benutzt werden kann.
Frage: Fast fünf Millionen Euro sollte der Altar kosten. Der Aufschrei im krisengeschüttelten Portugal war enorm.
Aguiar: Mit Recht. Wir waren selbst von den Kosten überrascht und skeptisch. Das Problem: Bei dem Gelände, dem Parque do Tejo, handelt es sich um eine ehemalige Mülldeponie, und die Umwandlung für ein solches Event war nicht günstig. Aber der Park wird den Einwohnern erhalten bleiben. Andererseits: Die Kosten für die fast 5.000 Quadratmeter große Altarbühne waren enorm. Damit auf dem fast 100 Fußballfelder großen Terrain auch alle die Abschlussmesse verfolgen können, sollte der Altar neun Meter hoch werden. Nun wird die Bühne halb so groß und nur noch vier Meter hoch werden. Dafür werden aber mehr Leinwände aufgebaut, damit auch alle die Messe gut verfolgen können. Dadurch konnten wir die Kosten von 4,9 auf 2,9 Millionen Euro fast halbieren.