Position zu Sexualmoral: Vatikan verweigert Lintner "Nihil obstat"
Der Moraltheologe Martin Lintner darf nicht Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) Brixen werden. Am Montag teilte die Hochschule mit, dass der Vatikan dem zum Dekan gewählten Professor die notwendige Zustimmung verweigert hat. "Das hierfür zuständige Dikasterium für die Kultur und die Bildung (ehemals Bildungskongregation) hat dem Diözesanbischof Dr. Ivo Muser mitgeteilt, dass diese Zustimmung wegen Publikationen Prof. Lintners zu Fragen der katholischen Sexualmoral nicht erteilt wird", heißt es in der von Bischof Muser und dem noch amtierenden Dekan Alexander Notdurfter unterzeichneten Mitteilung. Die kirchliche Lehrbefugnis Lintners sei von der Verweigerung des römischen "Nihil obstat" nicht betroffen. Der Bischof, der zugleich Großkanzler der Hochschule ist, verzichte im Einvernehmen mit Lintner auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Dikasteriums. Lintner wurde vom Hochschulkollegium für die Amtsperiode vom 1. September 2023 bis 31. August 2025 zum Dekan gewählt. Bis zu einer Neuwahl bleibt der bisherige Dekan Notdurfter im Amt.
Der Katholisch-Theologische Fakultätentag protestierte am Dienstag deutlich gegen die Entscheidung und solidarisierte sich mit Lintner. Er erwarte, dass die Wahl des Theologen zum Dekan durch das Brixner Hochschulkollegium unverzüglich anerkennt werde. Lintner sei innerhalb der Professorenschaft "ein hoch angesehener, geschätzter und renommierter Fachkollege": "Er ist eine wichtige Stimme im fachlichen und öffentlichen Diskurs, der in seinen Publikationen zur Beziehungsethik versucht, die Sexualmoral theologisch-ethisch so zu entfalten, dass sie ein positiver, lebensnaher und fruchtbarer Beitrag für die Menschen dieser Zeit sein kann." Diese Positionen seien in der theologischen Ethik nicht randständig und gälten als Konsens.
Fakultätentag: Ausdruck des Misstrauens und der Kontrolle
In der Verweigerung der Zustimmung sieht der Fakultätentag einen Ausdruck des Misstrauens und der Kontrolle: "Das weithin intransparente Nihil-Obstat-Verfahren widerspricht dem von Papst Franziskus beschworenen synodalen Geist. Es läuft dem Anliegen der Wissenschaftsfreiheit zuwider und untergräbt die Selbstverwaltung der katholischen Fakultäten und kirchlichen Hochschulen."
Der Südtiroler Martin Lintner ist seit 2011 ordentlicher Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie an der PTH Brixen. Der Priester ist Mitglied des Servitenordens. Von 2011 bis 2015 war er Vizepräsident und Präsident der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie, von 2014 bis 2017 Präsident des International Network of Societies for Catholic Theology, von 2017 bis 2021 Vorsitzender der Internationalen Vereinigung für Moraltheologie und Sozialethik. In seiner Forschung befasst er sich neben der Sexualmoral auch mit Tierethik.
Zuletzt war das Nihil-obstat-Verfahren 2018 in der Debatte, als die damalige vatikanische Bildungskongregation dem Rektor der PTH Sankt Georgen in Frankfurt, Ansgar Wucherpfennig, die Unbedenklichkeitserklärung für eine dritte Amtszeit als Rektor der Jesuitenhochschule zunächst verweigerte. Bei Wucherpfennig führten positive Aussagen zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zum Nein aus Rom. Erst nach intensiver öffentlicher Debatte erhielt der Jesuit doch noch die Zustimmung für eine dritte Amtszeit.
Das kirchliche Hochschulrecht sieht vor, dass Theologieprofessoren zum Amtsantritt eine Unbedenklichkeitserklärung des Heiligen Stuhls, das "Nihil obstat", benötigen. Zuständige Behörde in Rom ist das Dikasterium für die Kultur und die Bildung, die seit 2022 von Kardinal José Tolentino Calaça de Mendonça als Präfekt geleitet wird. Neben dem "Nihil obstat" für die Professoren kommt dem Dikasterium auch die Ernennung oder Bestätigung von Rektoren kirchlicher Universitäten, der Präsides eigenständiger kirchlicher Fakultäten und der Dekane kirchlicher Fakultäten zu. (fxn)