Kampf um ein heißes Eisen: Die US-Kirche und ihr Umgang mit Transgender
Schwester Louisa Derouen kann sich nur wundern. Bei der Frühjahrstagung der katholischen US-Bischöfe Mitte Juni hätten einige den Eindruck erweckt, beim Thema Geschlechtsangleichung von Transgender aufmerksam zugehört zu haben. Doch davon könne keine Rede sein, klagt die Ordensfrau der Dominikanerinnen, die sich seit über 20 Jahren um Transgender kümmert; also Menschen, die sich mit dem ihnen ursprünglich zugewiesenen Geschlecht kaum oder nicht identifizieren.
Keineswegs sei sie von Bischof Michael Olson, wie dieser dem "National Catholic Reporter" sagte, ausführlich zu ihrer Sicht befragt worden. "Die Kommunikation war minimal, und er hat nicht verstanden, was ich sagen wollte", kritisiert sie den Bischof von Fort Worth, der federführend an einem Positionspapier des Bischofs-Ausschusses für die Glaubenslehre mitgewirkt hat. Schwester Derouen fürchtet, dass die beschlossene Überarbeitung der seit 1994 geltenden "Ethischen und religiösen Richtlinien" (ERDs) wenig positive Änderungen für Transgender bringen wird. Denn an der Haltung des Komitees, das die Änderungsvorschläge ausarbeiten wird, bestünden wenig Zweifel.
Trans-Katholiken und ihre Unterstützer machen in der Kirche mobil
In dem Positionspapier zur Frühjahrstagung heißt es, der "geschlechtlich differenzierte" männliche und weibliche Körper sei Teil der natürlichen Ordnung. Geschlechtsangleichungen seien eine Verletzung der Einheit von Leib und Seele. Der Begriff "Ordnung" taucht in dem 14-Seiten-Papier 45 Mal auf.
Dagegen machen nun Trans-Katholiken und ihre Unterstützer in der Kirche mobil. Es gebe einen breiten kulturellen Trend, der das menschliche Geschlecht als völlig fließend betrachte, argumentierte der Ethiker Charles Bouchard bei der Frühjahrstagung. Der Dominikaner befasst sich für die Catholic Health Association, der die meisten katholischen Gesundheitseinrichtungen angehören, mit moralischen Fragen. Er sei sich nicht sicher, ob die menschliche Sexualität auch in Zukunft als binär bezeichnet werde, oder ob es Abstufungen dazwischen geben werde.
Die Kontroverse um Geschlechtsangleichungen innerhalb der katholischen US-Kirche kommt fast zeitgleich mit dem Verzicht der US-Regierung, das sogenannte Transgender-Mandat auf Bundesebene rechtlich durchzusetzen. Vergangene Woche verzichtete sie darauf, eine vor dem Supreme Court angefochtene Vorschrift des US-Gesundheitsministeriums vom Januar 2021 zu verteidigen, die kirchliche Einrichtungen gezwungen hätte, Geschlechtsanpassungen durchzuführen. Die Sisters of Mercy hatten dagegen geklagt, weil sie in dem Mandat eine Verletzung ihres Rechts auf Religionsfreiheit sahen. Untere Gerichtsinstanzen gaben dem klagenden Orden recht.
Bischofskonferenzsprecherin Chieko Noguchi betont, entschieden sei noch nichts. Es habe sich bei der Frühjahrstagung lediglich um eine Verfahrensabstimmung gehandelt. Sobald das Komitee etwas vorzustellen habe, würden sich die Bischöfe insgesamt damit befassen, Änderungen vornehmen und abstimmen. Die katholische Lehre müsse die Richtlinien "in den zeitgemäßen Kontext des Gesundheitswesens" setze. Die Richtlinien gelten für alle katholischen Gesundheitseinrichtungen und damit für jedes siebte Krankenhausbett in den USA. Laut Catholic Health Association betrifft das mehr als 600 katholische Kliniken. Das erhöht den Druck auf Betroffene deutlich; insbesondere in ländlichen Regionen, in denen katholische Einrichtungen häufig die einzigen Anlaufstellen sind.
"Sie kämpfen um ihr Leben"
Die Bischöfe haben signalisiert, sich für das heikle Thema Zeit zu lassen. Der von Papst Franziskus zum Kardinal ernannte Bischof von San Diego, Robert McElroy, deutete bei der Frühjahrstagung einen Kompromiss an. Es gehe darum, zugleich den Unterschied zwischen männlich und weiblich aufrechtzuerhalten wie auch die existenziellen Fragen von Betroffenen zu beachten. Ein impliziter Appell an den Glaubenslehre-Ausschuss, Trans-Personen stärker zu konsultieren.
Schwester Derouen hätte dazu etwas zu sagen, wenn sie tatsächlich befragt würde. Transgender-Personen seien weder psychotisch, noch folgten sie einer Gender-Ideologie, versichert sie. "Sie kämpfen um ihr Leben, und sie versuchen, mit Integrität und Ehrlichkeit zu leben."