Mainzer Bischof schließt Schmerzensgeld aus Kirchensteuermitteln nicht aus

Kohlgraf kritisiert Ausstieg von Bischöfen beim Synodalen Weg

Veröffentlicht am 08.07.2023 um 12:24 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf/Mainz ‐ Zuletzt sorgten die gescheiterte Finanzierung des Synodalen Ausschusses und Schmerzensgeldprozesse von Missbrauchsbetroffenen gegen Bistümer für Aufsehen. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf nahm zu beiden Themen nun Stellung.

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Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf kritisiert den Ausstieg von vier deutschen Bischöfen bei der Fortsetzung des Reformprojekts Synodaler Weg: "Ich glaube, dass die vier Bischöfe gut beraten gewesen wären, dabei zu bleiben – auch, um weiter Einfluss auf den weiteren Weg nehmen zu können", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstag).

Nach der letzten Vollversammlung im März soll der Reformdialog ab Herbst in einem Synodalen Ausschuss fortgesetzt werden. Die Bischöfe Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln) stimmten allerdings im Juni gegen die geplante Finanzierung des Gremiums über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). Die Bischöfe der 23 anderen Bistümer suchen daher nach anderen Möglichkeiten der Finanzierung.

Der Ausstieg mit dem Verweis auf Vorbehalte im Vatikan und darauf, dass man erst die im Herbst beginnende Weltsynode abwarten müsse, sei auch schwierig mit Blick auf die vielen ehrenamtlich Beteiligten beim Synodalen Weg, fügte Kohlgraf hinzu: "Drei Jahre haben Menschen wohlwollend, kritisch und auch emotional ihre Themen eingebracht. Und sie bekommen jetzt zu hören, wir machen so nicht mehr weiter, ohne die weiteren Beratungen der Weltsynode abzuwarten."

Weiterhin Projekt der Bischofskonferenz

Natürlich wolle sich niemand von den übrigen 23 Bischöfen vom weltsynodalen Weg trennen, ergänzte der Bischof: "Selbstverständlich werden wir uns dort einbringen, und dennoch können wir jetzt nicht zwei Jahre Pause machen!"

Darüber hinaus wies Kohlgraf darauf hin, dass die Handlungstexte beim Synodalen Weg, "die auch mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe beschlossen wurden", in der Welt seien und die entscheidende Grundlage bildeten für die Arbeit, die im Synodalen Ausschuss weitergehe: "Der Synodale Weg bleibt weiterhin ein Projekt der Bischofskonferenz, auch wenn sich nicht mehr alle Bischöfe daran beteiligen."

Der Mainzer Bischof wies auch den Vorwurf zurück, die Kirche in Deutschland gehe Sonderwege: "Auch bei der Weltsynode spielen Themen wie Machtmissbrauch, Amtsverständnis, Zulassungsbestimmung zum Priesteramt sowie Bewertung von Sexualität eine erhebliche Rolle. Ich wundere mich darum, wie es kleinen, aber lauten Gruppe immer wieder gelingt, das Narrativ vom deutschen Sonderweg zu bedienen."

Synodalversammlung
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

"Ich wundere mich darum, wie es kleinen, aber lauten Gruppe immer wieder gelingt, das Narrativ vom deutschen Sonderweg zu bedienen", sagt Kohlgraf mit Blick auf die Themen, die auch die Weltsynode beschäftigen werde.

Nicht zu vermeiden ist aus Kohlgrafs Sicht, dass es von Bistum zu Bistum große Unterschiede in der Umsetzung von Reformen geben werde, etwa bei der Segnung homosexueller Paare oder bei Nicht-Geweihten, die predigen oder taufen: "Den Flickenteppich wird es in der Kirche geben." Und das werde auch für die Bistümer der vier Aussteiger gelten: "Na ja, die Bischöfe, die jetzt eigene Beschlüsse positionieren, sollten mal in ihr eigenes Bistum schauen und werden sich dann wundern, wie viel dort bereits praktiziert wird."

Im Blick auf möglicherweise weitere Schmerzensgeldzahlungen an Missbrauchsbetroffene schließt Kohlgraf die Nutzung von Kirchensteuermitteln nicht aus. "Wenn es so weit käme, dass die Zinserträge des Bistumsfonds nicht mehr ausreichen und Kirchensteuermittel nötig werden, müssten wir noch einmal neu überlegen", so der Mainzer Bischof. "Moralisch gesehen sind wir fast schon in einer Haftungsgemeinschaft."

Hintergrund sind zwei Prozesse in Köln und Traunstein. In beiden Verfahren stehen Schmerzensgeldzahlungen von rund 300.000 Euro im Raum. Das Landgericht Köln hatte bereits im Juni entschieden, dass das Erzbistum Köln einem missbrauchten früheren Messdiener die bislang höchste Schmerzensgeldsumme von 300.000 Euro zahlen soll. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In Traunstein ist nach Angaben des Gerichts in diesem Jahr nicht mehr mit einem Urteil zu rechnen.

Urteile für alle Bistümer relevant

Die Urteile dürften für alle Bistümer relevant sein, so Kohlgraf weiter. Der zivilrechtliche Weg stehe jedem Betroffenen offen, allerdings müsse dort jeder Fall einzeln genau geprüft werden. Und im Unterschied zum Verfahren bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) müssten auch alle Details der Tat offengelegt werden. "Ob das jeder Betroffene durchhalten will und kann, ist letztlich seine Entscheidung", fügte der Bischof hinzu.

Allerdings habe ihn schon verwundert, welche niedrigen Beträge zur Anerkennung des Leids manchmal festgesetzt würden. Denn es gebe "auch im Bistum Mainz Betroffene, die einen hohen fünfstelligen Betrag bekommen haben".

Zuletzt hatte auch die UKA Vorsitzende Margarete Reske angekündigt, dass Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche nach Abschluss der Prozesse vermutlich mit höheren Zahlungen rechnen könnten. Hier könne es gegebenenfalls auch zu einer grundsätzlichen Anpassung kommen, "sollten zum Beispiel durch das Kölner Urteil bezogen auf einzelne Merkmale Maßstäbe der Bemessung angehoben werden", sagte Reske der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Denn wir werden uns – wie das auch bisher geschehen ist – im oberen Bereich der von staatlichen Gerichten zuerkannten Beträge halten." (mal/KNA)